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unterziehen und soweit sie danach begründet waren, unmittelbar bei der Regierung der Republik anhängig zu machen. Die Venezolanische Regierung hat darauf zwar in Aussicht gestellt, eine befriedigende Lösung der Angelegenheit durch ihren Kongreß herbeizuführen. Das von diesem in letztem Frühjahr angenommene Gesetz wiederholt indes nur die ungenügenden Bestimmungen des Dekrets vom 24. Januar 1901 und soll sich überdies nur auf solche Reklamationen erstrecken, die der durch das Dekret eingesetzten Kommission nicht rechtzeitig vorgelegt werden konnten. Jede weitere Erörterung der Angelegenheit hat die Regierung wiederholt mit der Begründung abgelehnt, daß in Venezuela mit Rücksicht auf die dortigen landesrechtlichen Vorschriften eine Regelung fremder Kriegsreklamationen auf dem diplomatischen Wege ausgeschlossen sei. Sie hat damit den Satz aufgestellt, daß eine diplomatische Verwendung durch die Landesgesetzgebung ausgeschlossen werden könne. Dieser Satz steht mit dem Völkerrechte nicht im Einklange, da die Frage, ob eine solche Verwendung zulässig ist, nicht nach landesrechtlichen Vorschriften, sondern nach den Grundsätzen des Völkerrechts beurteilt werden muß. | Den Schriftwechsel mit dem Kaiserlichen Vertreter in Carácas hat die Regierung der Republik zum Teil in einem nahezu beleidigenden Tone geführt und schließlich die in Rede stehenden Schriftstücke, darunter auch solche, die als vertraulich bezeichnet waren, ohne Befragung der Kaiserlichen Regierung und unter Hinzufügung einer in verletzender Form gehaltenen Denkschrift veröffentlicht. || In dem ganzen Verhalten der Venezolanischen Regierung kann hiernach nur das Bestreben erblickt werden, den fremden Reklamationen die ihnen völkerrechtlich gebührende Regelung zu versagen. Dazu kommt noch, daß in dem neusten venezolanischen Bürgerkriege die Deutschen in besonders feindseliger Weise behandelt worden sind; so haben sich beispielsweise die Gewalttätigkeiten der Regierungstruppen bei der Plünderung von Barquisimeto hauptsächlich gegen deutsche Häuser gerichtet. Dieses Vorgehen der venezolanischen Machthaber würde, falls es noch länger angestraft bleibt, den Eindruck erwecken, als ob die Deutschen in Venezuela fremder Willkür schutzlos preisgegeben sind, und demnach geeignet sein, das Ansehen des Reiches in Mittel- und Süd-Amerika sowie die dort zu schützenden großen deutschen Interessen empfindlich zu schädigen. || So aufrichtig die Kaiserliche Regierung von dem Wunsche beseelt ist, mit der Republik Venezuela freundschaftliche Beziehungen zu erhalten, und soweit sie davon entfernt ist, der staatlichen Unabhängigkeit dieses Freistaates zu nahe zu treten oder in seine inneren Einrichtungen eingreifen zu wollen, so kann sie doch das Verhalten der Venezolanischen Regierung als ihrer

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Würde zuwiderlaufend nicht länger dulden, und glaubt daher ihrerseits auf die Erledigung der deutschen Kriegsreklamationen in bestimmter Weise hinwirken zu müssen. Von weiteren Verhandlungen mit Venezuela verspricht sie sich nach den bisherigen Erfahrungen keinen Erfolg. Der Kaiserliche Geschäftsträger in Carácas hat daher gestern der Venezolanischen Regierung ein Ultimatum überreicht, worin er im Auftrage der Kaiserlichen Regierung die alsbaldige Zahlung der Kriegsreklamationen aus den Jahren 1898 bis 1900 sowie eine befriedigende Erklärung wegen Festsetzung und Sicherstellung der Reklamationen aus dem neusten Bürgerkriege verlangt. || Die vorstehend geschilderte Behandlung der deutschen Kriegsreklamationen hat die Kaiserliche Regierung ferner zu der Auffassung geführt, daß auch die deutschen Ansprüche wegen Nichterfüllung der von der Venezolanischen Regierung vertragsmäßig übernommenen Verbindlichkeiten ihres Schutzes bedürfen, um zu einer gerechten Erledigung zu gelangen. In dieser Beziehung kommen in Betracht die Reklamationen deutscher Firmen aus dem Bau eines Schlachthofes in Caracas sowie die Ansprüche der deutschen Großen Venezuela Eisenbahngesellschaft aus einer ihr zugesicherten Zinsgarantie. || Zur Ausführung einer Schlachthofsanlage in Carácas wurde im Jahre 1896 zwischen der Venezolanischen Regierung und dem Ingenieur Karl Henkel in Hamburg ein Vertrag abgeschlossen, in den später mit Genehmigung der Regierung noch die Aktiengesellschaft für Beton- und Monierbau in Berlin eingetreten ist. Die gesamte Anlage ist inzwischen fertiggestellt worden. Die Regierung hat indessen die für die Arbeiten versprochenen wöchentlichen Ratenzahlungen an die Aktiengesellschaft für Beton- und Monierbau seit Ende 1900 und an Henkel seit September 1901 eingestellt, so daß sie den beiden Unternehmern noch rund 820 000 Bolivares schuldet. || In den Jahren 1888 bis 1894 ist von der deutschen Großen Venezuela Eisenbahngesellschaft die Eisenbahnlinie Carácas Valencia gebaut worden. Bei Erteilung der Baukonzession hatte sich die Venezolanische Regierung Leistung einer Zinsgarantie von 7% auf ein Baukapital von rund 55 Millionen Bolivares verpflichtet. Diese Verflichtung, die vom 1. Februar 1894 an lief, wurde nicht erfüllt. Dagegen löste die Regierung im Jahre 1896 die Zinsgarantie durch Zahlung von 33 Millionen Bolivares in Titres einer von ihr in Höhe von 50 Millionen ausgegebenen 5 prozentigen Anleihe ab. Diese Anleihe wird seit dem Jahre 1898 nicht mehr regelmäßig verzinst und amortisiert, so daß die Ansprüche der Gesellschaft sich gegenwärtig auf rund 71⁄2 Millionen Bolivares belaufen und überdies in fortwährendem Steigen begriffen sind. Die wegen Regelung der vorstehenden Forderungen seit längerer Zeit schwebenden Verhandlungen

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sind bisher erfolglos geblieben. Der Kaiserliche Geschäftsträger in Carácas hat daher in dem Ultimatum die Venezolanische Regierung ersucht, auch wegen Sicherstellung dieser Forderungen eine zufriedenstellende Erklärung abzugeben. Sollte auf das Ultimatum nicht alsbald eine befriedigende Antwort erfolgen, so würde die Kaiserliche Regierung zu ihrem Bedauern genötigt sein, die Sorge für die Durchsetzung der deutschen Ansprüche selbst zu übernehmen. || Ähnliche Beschwerden wie in Deutschland haben übrigens auch andere Mächte, insbesondere England gegen die Venezolanische Regierung erhoben. Die britischen Reklamationen betreffen teils Ansprüche wegen rechtswidriger Wegnahme oder Zerstörung englischer Handelsschiffe, teils Forderungen englischer Eisenbahnen in Venezuela wegen Beschädigung der Bahnlinien und Nichterfüllung vertragsmäßiger Verbindlichkeiten, teils Ansprüche der Inhaber der englischen Anleihe von 1881, die ebenso wie die deutsche Anleihe von 1896 seit längerer Zeit nicht mehr regelmäßig verzinst und amortisiert wird. Bei dieser Sachlage sind Deutschland und England übereingekommen, gemeinsam für die Befriedigung ihrer sämtlichen Forderungen gegen Venezuela einzutreten. Der Britische Vertreter in Carácas hat gestern der Venezolanischen Regierung gleichfalls ein Ultimatum überreicht.

Nr. 12989. DEUTSCHES REICH.

Denkschrift über die Beilegung der Streitigkeiten zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Venezuela. Dem Deutschen Reichstage vorgelegt.

Berlin, 14. Februar 1903. Nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten von Venezuela die in den Ultimaten des deutschen und des britischen Vertreters in Carácas aufgestellten Forderungen abgelehnt hatte, ist zur Durchsetzung dieser Forderungen von den Seestreitkräften Deutschlands und Großbritanniens die Blockade über venezolanische Häfen verhängt worden. An dieser Blockade hat sich auch Italien beteiligt, das ähnliche Ansprüche gegen Venezuela erhoben hatte. || Auf Wunsch der Venezolanischen Regierung haben darauf zur Beilegung dieser Streitigkeiten in Washington Verhandlungen zwischen Vertretern der drei beteiligten Mächte und Venezuela stattgefunden, die gestern durch Zeichnung eines deutschen, eines englischen und eines italienischen Protokolls zum Abschlusse gelangt sind. | Nach dem in Abdruck angeschlossenen deutschen Protokolle hat die Venezolanische Regierung sämtliche von Deutschland erhobenen Forderungen als berechtigt anerkannt. Die nach dem Ultimatum in erster

Linie stehenden Reklamationen aus den venezolanischen Bürgerkriegen von 1898 bis 1900, die den Anlaß zu der Aktion gegen Venezuela gegeben haben, werden von der Venezolanischen Regierung sofort teils bar, teils in Wechseln mit kurzen Fristen bezahlt; für die Einlösung dieser Wechsel ist besondere Sicherheit geleistet. Die übrigen Reklamationen, die im einzelnen noch nicht geprüft waren, sollen einer gemischten Kommission zur Feststellung überwiesen werden; ein Mitglied der Kommission wird von der Kaiserlichen Regierung ernannt. Für die Bezahlung dieser Reklamationen sind gleichfalls entsprechende Sicherheiten bestellt, die Frage, inwieweit diese Sicherheiten ausschließlich Deutschland, Großbritannien und Italien oder auch anderen Mächten für ihre Ansprüche gegen Venezuela zu gute kommen, soll in Ermangelung anderweitiger Vereinbarung durch den ständigen Schiedshof im Haag entschieden werden. Endlich hat sich Venezuela verpflichtet, die zum größten Teile in deutschen Händen befindliche fünfprozentige venezolanische Anleihe von 1896 zugleich mit seiner gesamten auswärtigen Schuld in befriedigender Weise neu zu regeln und dadurch insbesondere auch den Ansprüchen der Deutschen Großen Venezuela-Eisenbahn-Gesellschaft gerecht zu werden. Die in dem deutschen Ultimatum aufgestellten Forderungen sind hiernach erfüllt. In ähnlicher Weise sind auch die Forderungen Großbritanniens und Italiens erledigt worden. Die drei Mächte werden daher unverzüglich die von ihnen verhängte Blockade aufheben und die diplomatischen Beziehungen mit der Venezolanischen Regierung wiederherstellen.

Nr. 12990. DEUTSCHES REICH und VENEZUELA.

Protokoll.

Washington, 13. Februar 1903.

Von dem Kaiserlich Deutschen Gesandten Herrn Freiherrn Speck von Sternburg als Bewollmächtigten der Kaiserlich Deutschen Regierung und dem Gesandten der Vereinigten Staaten von Amerika Herrn Bowen als Bevollmächtigten der Venezolanischen Regierung ist zur Beilegung der zwischen Deutschland und Venezuela entstandenen Streitigkeiten nachstehendes Protokoll unterzeichnet worden.

Artikel 1.

Die Venezolanische Regierung erkennt im Prinzip die von der Kaiserlich Deutschen Regierung erhobenen Reklamationen deutscher Untertanen als berechtigt an.

Artikel 2.

Die deutschen Reklamationen aus den venezolanischen Bürgerkriegen von 1898 bis 1900 belaufen sich auf 1718 815,67 Bolivares. Die Venezolanische Regierung verpflichtet sich, von diesem Betrage 5500 gleich 137 500 Bolivares sofort bar zu bezahlen und zur Tilgung des Restes fünf am 15. März, 15. April, 15. Mai, 15. Juni und 15. Juli 1903 an den Kaiserlich Deutschen Gesandten in Carácas zahlbare Wechsel über entsprechende Teilbeträge einzulösen, die Herr Bowen sofort ausstellen und Herrn Freiherrn Speck von Sternburg übergeben wird. || Sollte die Venezolanische Regierung diese Wechsel nicht einlösen, so soll die Zahlung aus den Zolleinkünften von La Guayra und Puerto Cabello erfolgen, und soll die Zollverwaltung in den beiden Häfen bis zur vollständigen Tilgung der erwähnten Schuld belgischen Zollbeamten übertragen werden.

Artikel 3.

Die in den Artikeln 2 und 6 nicht erwähnten deutschen Reklamationen, insbesondere die Reklamationen, welche aus dem gegenwärtigen venezolanischen Bürgerkriege herrühren, ferner die Ansprüche der Deutschen Großen Venezuela-Eisenbahn-Gesellschaft gegen die Venezolanische Regierung wegen Beförderung von Personen und Gütern, sowie die aus dem Baue eines Schlachthofs in Carácas entstandenen Forderungen des Ingenieurs Karl Henkel in Hamburg und der Aktiengesellschaft für Beton- und Monierbau in Berlin werden einer gemischten Kommission überwiesen. || Diese Kommission hat sowohl über die materielle Berechtigung der einzelnen Forderungen wie über deren Höhe zu entscheiden. Bei den Reklamationen wegen widerrechtlicher Beschädigung oder Wegnahme von Eigentum erkennt die Venezolanische Regierung ihre Haftpflicht im Prinzip an, dergestalt, daß die Kommission nicht über die Frage der Haftpflicht, sondern lediglich über die Widerrechtlichkeit der Beschädigung oder Wegnahme sowie über die Höhe der Entschädigung zu befinden hat.

Artikel 4.

Die im Artikel 3 erwähnte gemischte Kommission hat ihren Sitz in Carácas. Sie setzt sich zusammen aus je einem von der Kaiserlich Deutschen und der venezolanischen Regierung zu ernennenden Mitgliede. Die Ernennung hat bis zum 1. Mai 1903 zu erfolgen. Soweit sich die beiden Mitglieder über die erhobenen Ansprüche einigen, ist ihre Entscheidung als endgültig anzuschen; soweit eine Einigung unter ihnen nicht zustande kommt, ist zur Entscheidung ein Obmann zuzuziehen, der von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt wird.

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