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Deutschland.

nellen Rechte der Volksvertretung zustimmen. || Den socialpolitischen Fragen Nr. 7639. werden wir unsere volle Theilnahme widmen und alle auf die geistige und 15.Sept.1881. materielle Wohlfahrt der arbeitenden Classen abzielenden Vorschläge aufs sorgfältigste und mit dem ehrlichen Streben positiven Schaffens prüfen, getreu der übernommenen Verpflichtung, als wir der Staatsgewalt die Waffen gewährten, gewaltsame Ausbrüche der socialdemokratischen Bewegung niederzuhalten. Wir verlangen aber, dass Fragen, welche an Ernst und folgenschwerer Bedeutung alle anderen überragen, nicht zum Gegenstande unübersehbarer, finanziell unausführbarer Experimente gemacht, sondern mit ruhigster Prüfung in stetem Hinblick auf das Erreichbare und Mögliche in Angriff genommen und ihrer Lösung zugeführt werden, ohne Ueberlastung des Staates mit Aufgaben, welche nur unter ernstlicher Gefährdung des Gemeinwesens der Thätigkeit und Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen entzogen werden könnten. Bei Wahrung ihrer vollen Selbstständigksit und Unabhängigkeit wird die nationalliberale Partei, gegenüber der drohenden Gefahr eines immer engeren Bündnisses der kirchlichen und politischen Reaction, mit anderen liberalen Richtungen fest zusammenstehen in der entschlossenen Abwehr clerikal-conservativer Angriffe auf unsere Verfassung und Gesetzgebung. || Von diesen Gesichtspunkten geleitet, fordern wir alle Parteigenossen auf, der Vorbereitung für die Reichstagswahlen nunmehr ungesäumt ihre ganze Kraft und Thätigkeit zuzuwenden, in allen Wahlkreisen sich schleunigst und kräftig zu organisiren und vollzählig bei der Wahl zu erscheinen. Der Ernst der politischen Lage duldet kein Zaudern und keine Lässigkeit. Er legt jedem Gesinnungsgenossen die Pflicht auf, bei den Wahlen in vollem Maasse und mit aller Hingebung seine Schuldigkeit zu thun. Es gilt, zu zeigen, dass unser Volk seine Einheit und Freiheit nicht allein in einem raschen Anlaufe zu erringen, sondern auch in Noth und Gefahr zu behaupten vermag.

Berlin, am 15. September 1881.

Der Centralwahlausschuss der nationalliberalen Partei.

R. v. Bennigsen. v. Benda. Dr. Böttcher. Dr. Buhl. Büsing.
Dr. v. Cuny. Forkel. Fries. Dr. Gareis. Dr. Hammacher. Hobrecht.
Kiefer. Dr. Marquardsen. Dr. Miquél. Pogge-Blankenhof. Pogge-
Roggow. Schöttler. Dr. Stephani. Dr. Wachler. Dr. Wachs.

Dr. Friedrich Weber. Dr. Max Weber. Dr. Weigel. Dr. Wolffson.

Nr. 7640. DEUTSCHLAND. — Botschaft des Kaisers an den Reichstag, verlesen bei Eröffnung desselben durch den Reichskanzler. Fürsten v. Bismarck.

Deutschland.

Wir, Wilhelm von Gottes Gnaden deutscher Kaiser, König von Preussen, Nr. 7640. thun kund und fügen hiermit zu wissen: || Wir haben, den im vorigen Reichstage kundgegebenen Wünschen entsprechend, dem früheren Brauche entgegen,

17. Nov. 1881.

Staatsarchiv XL.

Deutschland.

Nr. 7640. den Reichstag noch im laufenden Jahre berufen, um seine Thätigkeit zunächst 17. Nov. 1881. für die Feststellung des Reichshaushalts-Etats in Anspruch zu nehmen. Der Entwurf wird dem Reichstage unverzüglich zugehen. Derselbe zeigt ein erfreuliches Bild der vorschreitenden finanziellen Entwickelung des Reiches und der guten Erfolge der unter Zustimmung des Reichstages eingeschlagenen Wirthschaftspolitik. Die Steigerung der den einzelnen Bundesstaaten vom Reiche zu überweisenden Beträge ist erheblich höher, als die Steigerung der Matrikularbeiträge. Dass der Gesammtbetrag der letzteren im Vergleich mit dem laufenden Rechnungsjahre eine Erhöhung erfahren hat, findet seine Begründung in Einnahmeausfällen und in Bedürfnissen, welche im Interesse des Reiches nicht abzuweisen sind. || Die Einigung, welche mit der Freien Stadt Hamburg über die Modalitäten ihres Einschlusses in das deutsche Zollgebiet erzielt worden ist, wird der Reichstag mit Uns als einen erfreulichen Fortschritt zu dem durch die Reichsverfassung gesteckten Ziele der Einheit Deutschlands als Zoll- und Handelsgebiet begrüssen. Die verbündeten Regierungen sind der Ueberzeugung, dass der Reichstag den Abschluss der deutschen Einheit nach dieser Seite hin und die Vortheile, welche dem Reich und seiner grössten Handelsstadt aus demselben erwachsen werden, durch den Kostenbeitrag des Reiches nicht zu theuer erkauft finden und dem hierauf bezüglichen Gesetzentwurf die Zustimmung ertheilen wird. || In dem Bestreben, die geschäftlichen Uebelstände zu beseitigen, welche sich aus der Konkurrenz der Reichstagssessionen mit den Sitzungsperioden der Landtage ergeben, hatten die verbündeten Regierungen dem vorigen Reichstag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Verlängerung der Legislatur- und Budgetperioden des Reiches vorschlug, über den aber eine Verständigung nicht hat erreicht werden können. Die geschäftliche Nothlage der Regierungen und die Nothwendigkeit, den Verhandlungen der gesetzgebenden Körper des Reiches sowohl wie der Einzelstaaten die unentbehrliche Zeit und freie Bewegung zu sichern, veranlasst die verbündeten Regierungen, der Beschlussnahme des Reichstages wiederum eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten. || Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Ueberzeugung aussprechen lassen, dass die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschliesslich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmässig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde. Wir halten es für Unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von neuem Herz zu legen, und würden Wir mit um so grösserer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewusstsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen grössere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen. In Unseren darauf gerichteten Bestrebungen sind Wir der Zustimmung aller verbündeten Regierungen gewiss und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstages ohne Unterschied der Partei

ans

Deutschland.

stellungen. In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regie- Nr. 7640. rungen in der vorigen Session vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die 17. Nov.1881. Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die im Reichstage stattgehabten Verhandlungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Berathung desselben vorzubereiten. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmässige Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesammtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maass staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zu Theil werden können. || Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluss an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfange nicht gewachsen sein würde. Immerhin aber wird auch auf diesem Wege das Ziel nicht ohne die Aufwendung erheblicher Mittel zu erreichen sein. || Auch die weitere Durchführung der in den letzten Jahren begonnenen Steuerreform weist auf die Eröffnung ergiebiger Einnahmequellen durch indirekte Reichssteuern hin, um die Regierungen in den Stand zu setzen, dafür drückende direkte Landessteuern abzuschaffen und die Gemeinden von Armen- und Schullasten, von Zuschlägen zu Grund- und Personalsteuern und von anderen drückenden direkten Abgaben zu entlasten. Der sicherste Weg hierzu liegt nach den in benachbarten Ländern gemachten Erfahrungen in der Einführung des Tabakmonopols, über welche Wir die Entscheidung der gesetzgebenden Körper des Reiches herbeizuführen beabsichtigen. Hierdurch und demnächst durch Wiederholung früherer Anträge auf stärkere Besteuerung der Getränke sollen nicht finanzielle Ueberschüsse erstrebt werden, sondern die Umwandlung der bestehenden direkten Staats- und Gemeinde lasten in weniger drückende indirekte Reichssteuern. Diese Bestrebungen sind nicht nur von fiskalischen, sondern auch von reaktionären Hintergedanken frei; ihre Wirkung auf politischem Gebiete wird allein die sein, dass Wir kommenden Generationen das neu entstandene Reich gefestigt durch gemeinsame und ergiebige Finanzen hinterlassen. Die Vorbedingung für weitere Beschlussnahmen über die erwähnten sozialen und politischen Reformen besteht in der Herstellung einer zuverlässigen Berufsstatistik der Bevölkerung des Reiches, für welche bisher genügendes und sicheres Material nicht vorliegt. Soweit Letzteres im Verwaltungswege beschafft werden kann, wird es in kurzem gesammelt sein. Vollständige Unterlagen aber werden nur durch gesetzliche Anordnung, deren Entwurf dem Reichstage zugehen wird, zu gewinnen sein. || Wenn danach auf dem Gebiet der inneren Reichseinrichtungen weitgreifende und schwierige Aufgaben bevorstehen, deren

Deutschland.

Nr. 7640. Lösung in der kurzen Frist einer Session nicht zu bewältigen ist, zu deren 17. Nov. 1881, Anregung Wir Uns aber vor Gott und Menschen, ohne Rücksicht auf den unmittelbaren Erfolg derselben, verpflichtet halten, so macht es Uns um so mehr Freude, Uns über die Lage unserer auswärtigen Politik mit völliger Befriedigung aussprechen zu können. || Wenn es in den letzten zehn Jahren, im Widerspruch mit manchen Vorhersagungen und Befürchtungen, gelungen ist, Deutschland die Segnungen des Friedens zu erhalten, so haben wir doch in keinem dieser Jahre mit dem gleichen Vertrauen auf die Fortdauer dieser Wohlthat in die Zukunft geblickt, wie in dem gegenwärtigen. Die Begegnungen, welche Wir in Gastein mit dem Kaiser von Oesterreich und König von Ungarn, in Danzig mit dem Kaiser von Russland hatten, waren der Ausdruck der engen persönlichen und politischen Beziehungen, welche Uns mit den Uns so nahe befreundeten Monarchen und Deutschland mit den beiden mächtigen Nachbarreichen verbinden. Diese von gegenseitigem Vertrauen getragenen Beziehungen bilden eine zuverlässige Bürgschaft für die Fortdauer des Friedens, auf welche die Politik der drei Kaiserhöfe in voller Uebereinstimmung gerichtet ist. Darauf, dass diese gemeinsame Friedenspolitik eine erfolgreiche sein werde, dürfen Wir um so sicherer bauen, als auch Unsere Beziehungen zu allen anderen Mächten die freundlichsten sind. Der Glaube an die friedliebende Zuverlässigkeit der deutschen Politik hat bei allen Völkern einen Bestand gewonnen, den zu stärken und zu rechtfertigen Wir als Unsere vornehmste Pflicht gegen Gott und gegen das deutsche Vaterland betrachten.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, 17. November 1881.

(L. S.)

Wilhelm.
Fürst von Bismarck.

Zollanschluss Hamburgs und der unteren Elbe.

Nr. 7641. DEUTSCHLAND. Entwurf des Gesetzes, betreffend den Beitrag des Reiches zu den Kosten des Anschlusses der freien und Hansestadt Hamburg an das deutsche Zollgebiet.

Deutschland

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden deutscher Kaiser, König von Preussen etc., Nr. 7641. verordnen im Namen des Reiches, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes 17. Nov. 1881. und des Reichstages, was folgt:

§ 1. Der Reichskanzler wird ermächtigt, der freien und Hansestadt Hamburg zu den Kosten der Bauten, Anlagen, Einrichtungen und Expropriationen, welche durch den Zollanschluss Hamburgs und die mit demselben verbundene Umgestaltung der bestehenden Handels- und Verkehrsanlagen veranlasst werden, aus der Reichskasse einen Beitrag in Höhe der Hälfte des hamburgischerseits für die bezeichneten Zwecke festzustellenden Kostenbedarfs, jedoch höchstens in Höhe von 40 000 000 Mark zu leisten.

§ 2. Der Reichskanzler ist befugt, die Mittel zur Deckung dieser Summe im Wege des Kredits flüssig zu machen und zu dem Zwecke in demjenigen Nominalbetrage, welcher zur Beschaffung des bezeichneten Betrages erforderlich sein wird, eine verzinsliche, nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 19. Juni 1868 (Bundes-Gesetzblatt Seite 339) zu verwaltende Anleihe aufzunehmen und Schatzanweisungen auszugeben.

3. Die Bestimmungen in den §§ 2 bis 5 des Gesetzes vom 27. Januar 1875, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Marine- und Telegraphenverwaltung (Reichs-Gesetzblatt Seite 18), finden auch auf die nach dem gegenwärtigen Gesetze aufzunehmende Anleihe und auszugebenden Schatzanweisungen Anwendung.

Urkundlich etc. | Gegeben etc.

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