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auf. Besonders charakteristisch hierfür ist das Trümmerfeld von Vod'ansk: dort lassen sich noch heute deutlich die Spuren einer Zitadelle (kuchendiz) und der inneren Stadt (medina) erkennen, die aus einer ursprünglichen Siedlung (šachristan) und einem Handelsvorort mit Märkten bestand; auch hatte Vod'ansk einen zweiten Vorort zwischen der Mauer der inneren Stadt und der zweiten, die ganze Stadt umgebenden (rabad), und entspricht so durchaus dem ganzen arabischen beled. Ferner sind in der Umgegend von Vod'ansk Spuren einzelner Gebäudegruppen (rustak) gefunden worden. Auch Uvek, Alt-Saraj und Neu-Saraj sind nach dem gleichen Plan gebaut.

In dieser Hinsicht sind nicht weniger interessant die 1922 von mir untersuchten, komplizierten Wasserleitungsanlagen auf dem Gebiet von Neu-Saraj (einschließlich des Villenvorortes und der Gärten): das Wasser wurde aus zwei riesigen, auf dem Syrt befindlichen Bassins mit Hilfe großer Schleusen und eines ganzen Kanalnetzes über das ganze Stadtgebiet verteilt (vgl. Abb. 1 u. 2); kleinere Schleusen und Bassins im Weichbilde der Stadt selbst dienten zur Regulierung der ungeheuren hierher geleiteten Wassermengen, wie das noch heute in Turkestan mit seinen Aryk-Netzen zu beobachten ist. Eine vortatarische Erbauung dieses Kanalnetzes anzunehmen ist unmöglich, da Neu-Saraj erst unter Uzbek erbaut oder bedeutend erweitert worden ist1), vor Toktagu bestimmt nicht existiert hat.

Weder bulgarischer noch altrussischer Entstehung sind ferner die sogenannten Kany, eine Art von Zentralheizung, die ich auf den Trümmerfeldern von Mečetnoje und Alt-Saraj feststellen konnte: horizontale Öfen und Rauchessen ziehen sich am Fußboden längs der aus Ziegeln oder Saman (Luftziegeln aus Lehm, Stroh und Schwarzerde) erbauten Zimmerwänden, teilweise auch innerhalb derselben hin; oft schließen sie die Fläche des Wohnhauses ein und münden an einer Ecke des Gebäudes in den vertikalen Schornstein. Solche Öfen konnten tatsächlich den Kampf mit jenem im Wolgagebiet herrschenden starken Frost aufnehmen, von dem auch Ibn Bātūta 2) berichtet. Diese Öfen 1) Vgl. BALLOD Старый и Новый Сарай S. 8 f. 2) TIESENHAUSEN Mатериалы S. 802.

sind ostasiatischer Herkunft und zeugen davon, daß auch ostasiatische Völker, die sich der Goldenen Horde angeschlossen hatten, ihren Anteil an Kulturerrungenschaften zur Ausstattung von Wohngebäuden in das Wolgagebiet mitgebracht haben.

Somit wird die Kultur der Goldenen Horde nicht erschöpft durch Filzjurten und Viehzucht. Nicht nur Jurten, sondern auch

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Abb. 3. Die Heizanlage (Kany) im Gebäude Nr. 2 in Alt-Saraj (Selitrennoje vgl. Balodis Alt-Saraj und Neu-Saraj S. 57—63).

gut ausgestattete Häuser mit wohlgebauten Öfen, oft aus bemalten Kacheln, Städte mit Wasserleitungen, wie sie noch TEREŠČENKO ausgegraben hat, erhoben sich auf den Ufern der Wolga und Achtuba. Händler, Gärtner und Handwerker bewohnten diese Städte, in denen sich auch bedeutende Fabrikviertel befanden.

Erdproben von den Peripherien von Neu-Saraj zwingen ferner anzunehmen, daß dort Gartenanlagen gewesen seien.

Bei Alt-Saraj habe ich ganze Haufen von Hirsehülsen ausgegraben; ferner fand TEREŠČENKO auf dem Gebiet von Neu-Saraj nicht nur Weizen- und Hirsevorräte, sondern auch schichtweise Kerne von Gartenfrüchten: ein weiterer Beweis dafür, daß es in der Goldenen Horde Acker- und Gartenbau gegeben hat. Bezeichnet doch auch Ibn Batuta1) die Stadt Madžary als eine obstreiche Gartenstadt, und nicht ohne Grund wird man Gülistan in der Goldenen Horde eine Rosenstadt genannt haben. Das turkestanische Aryk-System kam eben dem dürren Gebiet von Astrachan und Caricyn gut zustatten, da hohe Wanderdünen sonst die blühenden Achtuba-Ufer bedrohten. Nach dem Bericht von El-'Omari2) lag ja Saraj „zwischen Sand und dem Fluß" (der Wolga).

Dieser Kampf mit den Dünen, seinem verheerenden Einfluß auf Stadt und Gärten beschäftigte die Bewohner der Goldenen Horde und zwang sie, komplizierte Abwehrmaßnahmen zu ersinnen. Bei meinen Ausgrabungen auf dem besonders vom Sande bedrängten Gebiet um Alt-Saraj gelang es mir eine besondere Art der Dünen befestigung festzustellen.

Der je nach der Windrichtung ständig hin und her wogende Sand um Selitrennoje konnte natürlich nicht den geeigneten Boden für die zu errichtenden Gebäude abgeben. Jedoch mußten aus irgend einem Grunde auf einem der Dünenhügel, vielleicht dem „Džigit-Chadži“ des Pallas, Häuser gebaut werden3); um den Hügel zu befestigen, ihn in eine widerstandsfähige und beständige Erhöhung zu verwandeln, wurde ein rechteckiger tiefer Graben angelegt, in den eine Saman-Mauer eingebaut wurde: diese Mauer stützte Fichtenbalken, auf deren oberen Enden eine zweite ganz niedrige Saman-Mauer (nur zwei Ziegelschichten) als Basis für die Hauswände angelegt wurde. So war eine feste Grundlage auf dem Wandersande errichtet und zugleich auch die Düne zu einer festen, bleibenden Erhöhung umgestaltet, die unter dem Einfluß der Winde ständig an Größe nur zunehmen mußte. Es mag sein, daß die Dünenhügel an der Peripherie der alten Haupt1) TIESENHAUSEN Mатериалы S. 287.

2) TIESENHAUSEN Mатериалы S. 229.

3) BALLOD Cтарыйи Новый Сapaй S. 40 und 49 Abb 21.

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Taf. 2.

Keramikfragmente aus Alt-Saraj (1, ausgegraben 1922, jetzt im
Tatar. Nationalmuseum in Kazan).

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