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1854 zwar nicht theoretisch definiert, aber praktisch in Anspruch genommen". Nr. 10310.

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Bayern.

Wenn nun, nach den wiederholten feierlichen Erklärungen der Königl. 27.März 1890. Staatsregierung vom Jahre 1870 an bis heute, die Altkatholiken in Bayern staatsrechtlich befugt waren und sind, gegen die mit Nichtbeachtung des königlichen Placets verkündete Unfehlbarkeitslehre vom Jahre 1870 offenen Widerspruch zu erheben, ohne deshalb ihre staatsrechtliche Stellung als Mitglieder der katholischen Kirche in Bayern einzubüssen, so müssten dieselben konsequenter Weise doch auch berechtigt sein, dem päpstlichen Stuhlspruche des Jahres 1854, selbst wenn dieser das königliche Placet erhalten haben sollte, offen und ohne alle staatliche Gefährdung zu widersprechen, da derselbe ja nur ein einzelner Ausfluss der päpstlichen Unfehlbarkeitslehre ist. Bei der entgegengesetzten Annahme würde man zu dem absurden Resultat gelangen, dass es in Bayern staatsrechtlich erlaubt sei, die nicht placetierte Unfehlbarkeitslehre offen zu leugnen, einen früher placetierten blossen Ausfluss dieser Lehre aber nicht! Allein die Altkatholiken der Erzdiözese München-Freising haben von diesem ihrem Rechte in ihrer Gesamtheit niemals praktisch Gebrauch gemacht, sondern das äusserst zart zu behandelnde päpstliche Dogma von der unbefleckten Empfängnis Mariä stets ausser Diskussion gelassen, und zwar aus den nämlichen gewichtigen Gründen, welche schon den Papst Sixtus IV. und übereinstimmend mit ihm auch die Synode von Trient und mehrere Päpste vor Pius IX. bewogen haben, bei Strafe des grossen Kirchenbannes jede Erörterung desselben, sowohl pro als contra, den streitenden Parteien zu verbieten, beziehungsweise nur in der gelehrten, lateinischen Sprache zu verstatten. Folglich sind die Altkatholiken der Erzdiözese München-Freising vom Kapitularvikariat mit Unrecht angeschuldigt worden, dass sie samt und sonders ein katholisches Dogma öffentlich geleugnet hätten, und beruht auch das auf solche Beschuldigung gebaute Urteil der Königl. Staatsregierung auf einem faktischen Irrtum. || 3. Das Königl. Staatsministerium gründet sein, nach der bisherigen Ausführung nicht gerechtfertigtes Verdammungsurteil über uns Altkatholiken auf den Umstand, dass das fragliche Dogma in Bayern zwar niemals wörtlich, wohl aber thatsächlich placetiert worden sei, nämlich durch Handlungen und Entschliessungen der königlichen Staatsregierung in bezug auf die Person des Kooperators Thomas Braun zu Holzkirchen. || Angenommen nun,

aber wieder nicht zugegeben, dass aus den erwähnten Handlungen und Entschliessungen der königlichen Staatsregierung eine Placetierung des fraglichen Dogmas hervorgehe, so könnte, nach unserer bisherigen Ausführung und nach den sonst üblichen Grundsätzen der Administrativjustiz, die Strafe der Verwirkung der kirchlichen Rechte eines katholischen bayerischen Unterthanen doch nur denjenigen katholischen Priester oder Laien treffen, welcher ebenso wie Kooperator Thomas Braun gegen ein placetiertes Kirchengesetz sich öffentlich auflehnt, nicht aber in cumulo et globo alle Altkatholiken. || Es möge uns aber zum Schluss dieser Ausführung noch verstattet sein, hier unserer rechtlichen Ueberzeugung Ausdruck zu verleihen, dass eine bloss thatsächliche

Bayern.

Nr. 10340. Placetierung der kirchlichen Erlasse unserem bayerischen Verfassungsrechte 27. März 1890. fremd ist. Eine solche ist geradezu ausgeschlossen durch den klaren Wortlaut des § 58 der II. Verfassungsbeilage, worin es heisst: „Die geistlichen Obrigkeiten sind gehalten, nachdem sie die königliche Genehmigung — - (welche nach § 61 nur von dem Könige selbst erteilt werden kann) zur Publikation (Placet) erhalten haben, im Eingange der Ausschreibungen ihrer Verordnungen von derselben jederzeit ausdrücklich Erwähnung zu thun." || Da nun von der geistlichen Obrigkeit diese verfassungsmässig erforderliche Form bei Verkündigung des Dogmas vom Jahre 1854 ebenso wenig wie bei Publikation der Beschlüsse des Vatikanischen Konzils vom Jahre 1870 eingehalten worden ist, SO muss das Dogma des Jahres 1854, ebenso wie die Dekrete des Vatikanischen Konzils, als ein nicht placetiertes, also staatsrechtlich unverbindliches Kirchengesetz betrachtet werden, und erscheint auch von diesem Gesichtspunkt aus die am 15. lfd. Mts. verfügte staatsrechtliche Ausschliessung der Altkatholiken aus der katholischen Kirche Bayerns selbst dann als rechtlich nicht begründet, wenn dieselben, was, wie nachgewiesen, nicht der Fall ist, öffentlichen Widerspruch gegen das päpstliche Dogma vom Jahre 1854 erhoben hätten. 4. Was sodann die vom Kapitularvikariat München-Freising behauptete öffentliche Leugnung des Primates des Papstes von seiten der Altkatholiken betrifft, so sehen wir uns genötigt, weil das Königliche Staatsministerium auch diese Anschuldigung als eine „liquide" Thatsache erachtet hat, ohne übrigens auf eine nähere Würdigung derselben einzugehen, auch gegen sie entschiedenen Widerspruch einzulegen. Zur Begründung desselben müssen wir vor allem konstatieren, dass das Kapitularvikariat zum Beweis seiner Anklage beliebt hat, bloss auf S. 71 und 136 des ,,Leitfadens", sowie auf S. 45 des ,,Katechismus" der Altkatholiken hinzudeuten, dagegen es unterliess, auf jene Stellen der genannten Lehrbücher zu verweisen, aus denen jedermann deutlich ersehen muss, dass der Primat des Papstes, insoweit als derselbe vor dem Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche allgemein anerkannt war, von den Altkatholiken nicht nur nicht geleugnet, sondern ausdrücklich anerkannt wird. Es sind dies hauptsächlich die Stellen des Leitfadens S. 71-72 sub a und b und besonders sub c, woselbst gelehrt wird, dass Jesus den Petrus für den Felsen erklärt habe, auf den die ganze Gemeinschaft der Gläubigen bis zum Ende der Zeiten sich aufbauen werde; - dass er ihm die Vollmacht übertragen habe, die Gläubigen und Würdigen in sein Reich aufzunehmen, die übrigen aber von demselben fernzuhalten; dass Petrus ausersehen gewesen sei, die übrigen im Glauben zu stärken, und wo endlich deutlich gesagt ist, dass Jesus nach der Auferstehung dem Petrus das Hirtenamt übertragen habe, welches er ihm früher verheissen hatte. Wir verweisen ferner auf S. 165 sub d des Leitfadens, wo gelehrt wird: ,,Als der erste und angesehenste unter allen Bischöfen galt der Bischof von Rom . . . . Dem Bischofe der Stadt Rom erkannte man dieselbe Stellung unter den wesentlich gleichgeordneten Bischöfen zu, welche Petrus unter den Aposteln

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eingenommen hatte"; - endlich auf S. 42 und 43 des Katechismus unter Nr. 10340. Bayern. Nummer 192, wo Petrus wieder als der Erste unter den sich gleichstehenden 27. März1890. Aposteln bezeichnet wird, und woselbst alle Stellen der h. Schrift abgedruckt sind, welche überhaupt für den Primat Petri und des Papstes verwendbar sind. Dass an diesen Stellen von der Unfehlbarkeit des Papstes und von seiner Allgewalt (plenitudo potestatis) nicht geredet wird, ist freilich wahr; aber hieran sind nicht wir Altkatholiken Schuld, sondern die heilige Schrift selbst, welcher die hierokratischen und infallibilistischen Theorien durchaus fremd sind. Nicht ohne guten Grund hat das Kapitularvikariat, zum Beweise für seine Behauptung, dass die Altkatholiken wegen Leugnung des Ehren- und Jurisdiktionsprimats exkommuniziert seien, sich nicht auf das Trienter Konzil berufen, sondern auf „einige Konzilien, speziell dasjenige von Florenz.“ Auf das Tridentinum konnte es nämlich nicht verweisen, weil diese letzte allgemeine abendländische Kirchenversammlung bekanntlich ausdrücklich abgelehnt hat, die Lehre vom Primat des Papstes in dem damals von Rom gewollten Sinne der Florentiner Synode zu definieren. Die Florentiner Synode aber zum Beweise dafür anzurufen, dass die Altkatholiken den Primat des Papstes leugneten, und sie zur Grundlage für deren Ausschliessung aus der katholischen Kirche zu machen, erscheint schon darum als unzulässig, weil mit diesem Argument teils zu wenig, teils zu viel, darum nichts bewiesen wird: zu wenig, deshalb, weil die genannte Synode selbst von streng römisch gesinnten katholischen Kirchenhistorikern (z. B. Alzog, K.-Gesch. VIII. Aufl. II, 744, und Funk, Lehrbuch der K.-Gesch. 1886 S. 345 Nr. 1) nicht zu den anerkannten allgemeinen Konzilien gezählt wird; zuviel, aus dem Grunde, weil die Definition des Primats durch diese Synode inhaltlich übereinstimmt mit der vom Vatikanischen Konzil definierten Lehre von der päpstlichen Allgewalt und Unfehlbarkeit. (Vgl. Hergenröther, Kathol. Kirche u. christl. Staat 1873 S. 968 ff.) Heisst es doch in Kap. III der Constitutio dogmatica prima de ecclesia Christi vom 18. Juli 1870: ,,innovamus oecumenici (!) Concilii Florentini definitionem, qua credendum . . . est" etc. || Die von der Königl. Staatsregierung auf Grund des Florentiner Konzils verfügte Ausschliessung der Altkatholiken aus der katholischen Kirche Bayerns würde also, falls sie aufrechterhalten bliebe, im Prinzip eine Anerkennung auch der vatikanischen Dekrete und damit auch. aller jener päpstlichen Stuhlsprüche in sich schliessen, welche wahrhaft staatsgefährliche Lehren enthalten, wie zum Beispiel der Bulle Unam sanctam vom Jahre 1302, des Syllabus vom Jahre 1864 u. s. w. Unsere und der hohen Staatsregierung Gegner würden bald genug aus der Ministerial-Entscheidung vom 15. März die Folgerung ziehen, dass auch den vatikanischen Dekreten eine „,thatsächliche Placetierung" zu teil geworden sei. || Aus all diesen Gründen, welche wir der hochgeneigten Prüfung des Königl. Staatsministeriums ehrerbietigst unterstellen, können wir nicht umhin, die dringendste Bitte auszusprechen:

„Hohes Königl. Staatsministerium wolle sich gnädigst bewogen finden, seine

Staatsarchiv LIV.

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Bayern.

Nr. 10340. Entscheidung vom 15. März, als auf irriger thatsächlicher Information und 27. März 1890 darum auf haltloser Grundlage beruhend, ausser Kraft zu setzen und den Altkatholiken der Erzdiözese München- Freising jene staatsrechtliche Stellung wieder einzuräumen, welche sie seit beinahe zwanzig Jahren unbestritten eingenommen haben!"

II. Sollte jedoch die königliche Staatsregierung aus hochpolitischen Gründen, deren Gewicht sich unserer Beurteilung entzieht, nicht im stande sein, dieser unserer ehrerbietigsten Bitte zur Zeit zu willfahren, so müssten sich die Altkatholiken der Erzdiözese München-Freising, jedoch nur unter ausdrücklicher Wahrung ihres sub I. entwickelten Rechtsstandpunktes, an die königliche Staatsregierung mit der weiteren dringendsten Bitte wenden:

,,Hochdieselbe wolle bei Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzregenten Luitpold, als dem zur Gewährung derselben, gemäss § 26, 28 und 32 der II. Verfassungsbeilage, allein berechtigten Staatsoberhaupte, beantragen und befürworten, dass zunächst die in der Erzdiözese München-Freising wohnenden Altkatholiken, im Anschluss an die in Preussen, Baden und Hessen teils durch Gesetze, teils durch Verordnungen bereits seit fünfzehn Jahren bestehende Organisation der dortigen Altkatholiken, als eine eigene, von der römischkatholischen Kirche unterschiedene öffentliche Religionsgesellschaft unter dem Namen „Altkatholische Kirche" anerkannt werden, und zwar mit allen Rechten, welche nach Inhalt unserer einschlägigen Verfassungsbestimmungen den öffentlichen Kirchengesellschaften in Bayern zustehen."

Zu diesem Behuf legen wir, in Befolgung der Bestimmung in § 27 der II. Verfassungsbeilage, nachbezeichnete Aktenstücke zur höchsten und allerhöchsten Einsicht und Prüfung ehrerbietigst gehorsamst vor:

a) Leitfaden für den katholischen Religions-Unterricht an höheren Schulen. Herausgegeben im Auftrage der altkatholischen Synode. Bonn 1875; || b) Katholischer Katechismus. Herausgegeben im Auftrage der altkatholischen Synode. Bonn 1880; || c) Sammlung von kirchlichen und staatlichen Vorschriften für die altkatholischen Kirchengemeinschaften. Bonn 1887; - bemerken dabei jedoch ausdrücklich, dass wir Altkatholiken der Erzdiözese München-Freising die von der V. Synode der Altkatholiken beschlossene Aufhebung des Zwangscölibats (s. die sub c angef. Sammlung S. 79 f.) nicht gebilligt haben, wie dem hohen Königlichen Staatsministerium aus unserer Eingabe vom 7. Juli 1878 bekannt ist, und dass wir demnach auch unser ferneres Verhalten in diesem Punkte einrichten werden. | Endlich fügen wir noch die feierliche Versicherung bei, dass wir, wie bisher, so auch in Zukunft, alle verfassungsmässigen Kirchenhoheitsrechte des Königs (Regenten), sowie alle staatlichen Gesetze und Verordnungen in Kirchensachen aufs gewissenhafteste anerkennen und beobachten werden.

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Dem Einwande, welcher dem „Rechtsgutachten über die Frage der Anerkennung des altkatholischen Bischofs Dr. Reinkens in Bayern" (1874) in § 11 S. 16-18 entnommen werden möchte, dass nämlich zur Anerkennung einer

Bayern.

Kirchengesellschaft als einer öffentlichen Korporation in Bayern ein Gesetz Nr. 10340. erforderlich sei, hier eingehend zu begegnen, glauben wir aus dem Grunde 27. März 1890. unterlassen zu dürfen, weil seitdem in einer Reihe der besten neueren Werke über bayerisches und deutsches Staats- und Staatskirchenrecht die in dem genannten Rechtsgutachten" geltend gemachten Gründe als durchaus unstichhaltig nachgewiesen worden sind, und weil in diesen Werken unsere Ueberzeugung, dass der König (Regent) von Bayern für sich allein und ohne Mitwirkung der Volksvertretung diese Aufnahme gewähren könne, ausführlich vertreten wird. Wir wüssten dem dort gesagten nichts beizufügen, als dass die in dem „Rechtsgutachten" vertretene Ansicht auf eine Schmälerung der verfassungsmässigen Rechte des Königs (Regenten) von Bayern hinauslaufen würde. Es sei uns daher gestattet, auf die betreffenden Ausführungen in nachstehenden neueren Werken hinzuweisen:

a) „Das Staatsrecht des Königreichs Bayern" von Dr. Max Seydel (in Marquardsens Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. III (1888). S. 310 bes. Nr. 2 u. S. 311; || b),,Die Kirchenhoheitsrechte des Königs von Bayern" von Dr. E. Mayer (1884). S. 123 ff. bes. S. 136 Nr. 8. || c),,Die Kirchenhoheitsrechte des Königs von Bayern" von Dr. Aug. Reinhard (1884). S. 124 ff. bes. S. 128–29. || d) „Deutsches Kirchenrecht des 19. Jahrhunderts“ von Prof. Dr. Thudichum Bd. I (1877). S. 346 ff. bes. S. 350 u. S. 353 ff. bes. S. 356-57. || e) „Allgemeine Darstellung der Verhältnisse von Staat und Kirche" von Prof. Dr. P. Hinschius (in Marquardsens Handbuch, I. Bd. (1883). S. 369 ff. bes. S. 370 Nr. 1.

Sollte indess die königliche Staatsregierung auch jetzt noch, bei völlig geänderter Sachlage, bezüglich der Anerkennung der Altkatholiken an der Rechtsansicht festhalten, dass es zur Aufnahme der altkatholischen Kirche als öffentliche Korporation der Form des Gesetzes, also der Zustimmung des Landtags, bedürfe, so bitten wir hochdieselbe dringendst, alsbald die Initiative zur Erlassung eines solchen Gesetzes ergreifen zu wollen, indem wir glauben, dass selbst unsere Gegner im Landtag, in Konsequenz ihrer öffentlichen Erklärungen, einem solchen Gesetz ihre Zustimmung nicht werden versagen können. Zu dieser sub Ziffer II gestellten eventuellen Bitte können sich jedoch die Altkatholiken der Erzdiözese München-Freising nur unter Zurückdrängung der allerschwersten Gewissens- und rechtlichen Bedenken entschliessen. Denn sie werden auch nach wohlwollendster Gewährung derselben das bittere Gefühl niemals ganz zu überwinden vermögen, dass sie nur auf Andringen einer erst in den letzten Jahrzehnten zur vollen Herrschaft innerhalb der grossen katholischen Kirche gelangten Partei aus der Kirche ihrer Väter hinausgedrängt worden sind.

III. Da sich endlich der gehorsamst unterfertigte Ausschuss einerseits der Einsicht nicht verschliessen kann, dass, falls unsere erste Bitte (sub Ziffer I) nicht gewährt werden könnte, die Gewährung der (sub Ziffer II) gestellten zweiten Bitte immerhin geraume Zeit in Anspruch nehmen wird,

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