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einer Reihe einzelner Beispiele untersucht der Verfasser die Metapher und Metonymie als Merkmale von zwei typologisch entgegengesetzten Stilarten, der romantischen und der klassischen. Die Metapher wird im romantischen Stil angewandt als Mittel für eine romantische Verklärung der Wirklichkeit (die Darstellung der Geliebten als Märchenprinzessin bei den deutschen Romantikern und bei ВLOK; die beseelende Metapher in Schilderungen der Natur, die als lebendig und göttlich erscheint) oder sie dient, als Symbol gefaßt, zur Wiedergabe mystischer Erlebnisse durch Andeutungen (NOVALIS, BLOK). Für den metaphorischen Stil sind charakteristisch: metaphorische Neubildungen, die stark von der prosaischen Sprache abweichen, Anhäufungen von Metaphern und Kreuzungen verschiedener metaphorischer Reihen, d. h. die sogen. Katachrese als Merkmal irrationaler Sprache (vgl. bei BLOK: Verbrannt von des Schneesturms weißen Flügeln“). Die Beispiele aus der russischen Neuromantik (BLOK) finden eine Analogie in der westeuropäischen Romantik (metaphorischer Stil der deutschen Romantiker, SHELLEY, VICTOR HUGO). Dagegen ist

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die Metonymie und die mit ihr verbundene metonymische Periphrase charakteristisch für die traditionell-gebundene, conventionell-gehobene, rationalistisch-verallgemeinerte Dichtersprache des französischen Klassizismus im XVIII. Jahrh. und die ihm verwandten literarischen Strömungen (im Frankreich z. B. VOLTAIRE und besonders DELILLE, in England ALEX. POPE, in Deutschland die Anakreontiker). Es ist bemerkenswert, daß PUŠKIN (in seiner Lyrik und dem „Evgenij Onegin") sich in dieser Beziehung der russischen und französischen klassischen Tradition der metonymischen Stilgattung anschließt, während der in der romantischen Schule übliche Gebrauch von Metaphern ihm vollkommen fremd ist (N 28).

Über syntaktische Fragen wurde bereits oben anläßlich der metrischen Komposition gehandelt und auf die Bedeutung des syntaktischen Parallelismus wie auch der Wiederholungen in der rhythmischen Prosa und in der Lyrik der emotionalen singstimmigen romantischen Stilgattung hingewiesen (NN 29, 78, 32). Die Bedeutung der Wiederholungen, der lyrischen Fragen, Ausrufe und Anreden als Kennzeichen der lyrischen Erzählungsart,

der gefühlsmäßigen Anteilnahme des Dichters an der Erzählung und am Schicksal des Helden, wobei eine emotionale Identifizierung des Dichters mit dem Helden eintreten kann, läßt sich veranschaulichen an den lyrischen Erzählungen („metrical tales") von BYRON, seinen russischen Nachahmern (PUŠKIN, LERMONTOV) und ferner in der lyrischen Prosa des sentimental-romantischen Zeitalters (KARAMZIN, MARLINSKIJ, GOGOL, TURGENEV NN 35 und 28o).

3. Theorie der Handlung. Kunstprosa.

vgl.

Ein neues Gebiet für die russische Literaturwissenschaft ist die Theorie der Kunstprosa, über die V. ŠKLOVSKIJ und B. EICHENBAUM handeln. Das erwachende Interesse für diese Fragen hängt zweifellos zusammen mit der in der heutigen russischen Literatur sich bemerkbar machenden Abkehr von der Lyrik, die zur Zeit des Symbolismus herrschend war, zum Roman und zur Novelle. Erstmalig wurde die „Theorie der Handlung" in der aus dem Nachlaß veröffentlichten „Poetik“ von A. VESELOVSKIJ behandelt, jedoch vom rein historischen Standpunkt. Im Mittelpunkt des Interesses steht für VESELOVSKIJ die Frage von der kulturhistorischen Entstehung der Handlungsformeln, von ihrer Entlehnung oder Bodenständigkeit. ŠKLOVSKIJ behandelt diese Frage unter einem andern Gesichtspunkt. Er interessiert sich für die beim Aufbau der Handlung gebräuchlichen Kunstmittel und trennt die „Fabel" als das stoffliche Element der Handlung von dem „Sujet“ als dem Element der Komposition, deren Entwicklung an sich schon auf „künstlerische Wirkung" angelegt sein kann („Die Handlung als Stilmittel" N 69). Er beginnt mit einer Analyse der einfachsten Typen des Handlungsaufbaus im Volksepos (Märchen und Byline), jenen allgemeinbekannten Formen der Motivwiederholung und des Parallelismus (nach ŠKLOVSKIJ ,,stufenweiser Aufbau"), den gewöhnlichen Konstruktionsmitteln (nach ŠKLOVSKIJ „Mittel zur Verzögerung der Handlung") der epischen Erzählung (N 69). Darauf analysiert er Abenteuerromane, die eine Reihe von mehr oder weniger selbständigen Novellen an die bekannte Figur eines reisenden Helden knüpfen, Romane mit eingelegten Novellen und mit Rahmenerzählungen

in der Art des „Dekameron" (N 71). Besondere Aufmerksamkeit schenkt er der Roman-Parodie in der Art des „Tristram Shandy" von L. STERNE. In ihr enthüllt der Verfasser absichtlich die traditionellen Konstruktionsmittel der Handlung: die eingestreuten Episoden und Abschweifungen, Verzögerungen der Handlung, Umstellungen der Zeitfolge usw., indem er ironisch den traditionellen Erzählungsstil verwendet (N 72; vgl. auch N 70). Dank einer solchen Materialauswahl, die außergewöhnlich günstig für eine Analyse der Handlungsstruktur des Romans, d. h. der kompositionellen Entwicklung der äußeren Handlung, ist, neigt ŠKLOVSKIJ dazu, die Elemente der psychologischen Charakterisierung der Helden nur als Motivierung des Fortgangs der Handlung aufzufassen, eine Ansicht, die wahrscheinlich weniger für den psychologischen Roman der Mitte des XIX. Jahrh. mit wenig entwickelter äußerer Handlung zutreffen würde. ŠKLOVSKIJ hat in Petersburg seine Theorie in zahlreichen Vorträgen an der Hand der verschiedensten westeuropäischen und russischen Romane vertreten ; einen Teil seiner Analysen veröffentlichte er im literarischen Feuilleton der wöchentlichen Kunstzeitschrift „Žizn' Iskusstva“ (vgl. N 73), die übrigen haben, obgleich sie nicht erschienen sind, nicht nur Literarhistoriker und Kritiker beeinflußt, sondern auch junge Prosaiker (besonders den Petersburger Dichterkreis, der sich unter dem Namen der,,Serapionsbrüder" zusammengeschlossen hat).

In einem Aufsatz über GoGoL's „Šinel" (N 76) erörtert EICHENBAUM ein anderes wesentliches theoretisches Problem der Kunstprosa den Vortrag. Unter Vortrag versteht EICHENBAUM die verschiedenen Mittel, durch die die Stilart des Erzählers, die charakteristischen Eigentümlichkeiten seiner Rede, dargestellt werden. Besonders wichtig sind sie für die Novelle, die man sich gewöhnlich in der Form einer mündlichen Erzählung denken muß. GOGOL', der in den „Večera na chutore bliz Dikan'ki“ die charakteristische Figur des kleinrussischen Erzählers, des Bienenzüchters, geschaffen hat, ist der hervorragendste Vertreter der ,,ornamentalen Prosa" in der russischen Literatur des XIX. Jahrh.; die Vertreter dieser Richtung bedienen sich gern volkstümlicher Themen, um den Gebrauch verschiedenartiger stilistischer Arabesken des Erzählers, eines prägnanten und farbenreichen Wort

schatzes, einer eigentümlichen Syntax usw. zu motivieren. Hierher gehören DAL, VELTMANN, MELNIKOV-PEČERSKIJ und LESKOV, der erst seit kurzem in Rußland in gebührender Weise geschätzt wird. Das von EICHENBAUM behandelte Problem wird besonders dadurch aktuell, daß alle hervorragenden russischen Prosaiker der Jetztzeit (REMIZOV, ANDREJ BELYJ, ZAM'ATIN und viele von den „Serapionsbrüdern“, z. B. VSEVOLOD IVANOV) zu den Fortsetzern dieser „ornamentalen Schule" gerechnet werden müssen. Lebhaft erörtert wird neuerdings der Gegensatz zwischen einem Roman mit reich entwickelter Handlung und den Einseitigkeiten des Ornamentalismus. Besonders erwähnt seien die Veröffentlichungen von S. LUNC, einem in diesem Jahre verstorbenen talentierten jungen Schriftsteller und Literaturtheoretiker, dessen Forderung zum „Handlungsroman" zurückzukehren großen Eindruck gemacht hat (vgl. den Aufsatz „Na Zapad" Beseda N 3 (1923) Berlin).

Über die Theorie der Novelle handelt der Aufsatz von M. PETROVSKIJ (Moskau), der auf Grund einer Analyse von MAUPASSANT'S „En voyage" den Unterschied in der Erzählungsart zwischen den zwei Grundtypen der „,short story" der Abenteuer- und der psychologischen Novelle feststellt (N 42).

IV. Russische Literatur.

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Nur ganz kurz kann hier auf die konkreten historischen Probleme eingegangen werden, die bei der Darstellung der russischen Literatur des XIX-XX. Jahrh. unter „formalen" Gesichtspunkten behandelt wurden.

1. Geschichte der russischen Poesie.

Die neue Auffassung der Geschichte der russischen Poesie des XIX. Jahrh. wird am genauesten durch eine neue Einschätzung der historischen Stellung PrŠKIN's bestimmt. Nach der bestehenden Ansicht ist PUŠKIN der Begründer der russischen Dichtung des XIX. Jahrh.; nach der Ansicht der Vertreter der neuen Richtung ist er der Vollender der Dichtung des XVIII. Jahrh.; dagegen ist die Dichtung des XIX. Jahrh. aus dem Kampfe gegen PUŠKIN, aus der Überwindung seines Ideals, erwachsen.

Die neue Ansicht hat auch der Verfasser vertreten: Für den Stil PUŠKIN's als Vollender des russischen Klassizismus des XVIII. Jahrh. ist charakteristisch: die Auswahl und Verbindung von Worten im vollen Umfang ihrer materiell-logischen Bedeutung, das präzise Epitheton, die Anwendung der Metonymie und der metonymischen Periphrase, der Mangel an Metaphern und das Fehlen des Strebens nach Melodie und einer unbestimmten, musikalisch-lyrischen Wirkung. Die russische Dichtung des XIX. Jahrh. betrat den Weg der romantischen Lyrik nach dem Vorgange ŽUKOVSKIJ's. Sie zeigt eine Trübung der materielllogischen Wortbedeutung, ein Hinneigen zu emotional-lyrischer, musikalischer Wirkung. Der hervorragendste Vertreter dieser Tradition war im XIX. Jahrh. FET, fortgesetzt wird sie durch die Losung der Symbolisten „de la musique avant toute chose!" (BALMONT, BLOK auch BR'usov). Erst in neuester Zeit tritt eine Reaktion ein, in der Rückkehr zum Vermächtnis PUŠKIN'S und zum Klassizismus des XVIII. Jahrh. (KUZMIN und die ACHMATOVA Vgl. NN 28, 31; auch 27, 35; zur Reaktion gegen den Symbolismus vgl. MOČUL'SKIJ N 38).

Den hauptsächlichsten Thesen dieses historischen Schemas schließt sich auch EICHENBAUM in seinem Aufsatz über „Die Poetik Puškin's" (N 77) an. In seinem Buch über die „Melodik des russ. lyrischen Verses" (N 78) kennzeichnet er die Eigenarten der singstimmigen Lyrik (ŽUKOVSKIJ, FET), zu der PUŠKIN nicht gehört. In seinen weiteren Arbeiten gibt EICHENBAUM ein mehr differenziertes Bild des Verhältnisses zwischen PUŠKIN und seinen Nachfolgern, wobei er den Kampf der russischen Lyrik des XIX. Jahrh. gegen PUŠKIN in den Vordergrund rückt. So wendet sich z. B. NEKRASOV von dem hohen Stil PUŠKIN'S ab, den er bis zum Niveau des politischen Pamphlets und der Umgangsprosa herabwürdigt. Namentlich aus der Notwendigkeit, den hohen Kanon PršKIN's zu überwinden, erklärt sich die Wahl neuer, sozialer Themen. LERMONTOV, in einigen Beziehungen der Vorgänger NEKRASOV's, bekämpft die monumentale Strenge und objektive Teilnahmslosigkeit der reinen Kunst PUŠKIN'S, indem er in seiner eignen Dichtung nach gesteigerter emotionaler Ausdrucksfähigkeit, rhetorischem Pathos, Individualität des Dichters

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