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Studien zur russischen Heldensage

1. Die Sage von Vasilij Pjanica.

Die Sage von Vasilij Pjanica (auch Vasilij Ignatjevič oder Vasilij Kaznerovič genannt) und dem Zaren Batyga ist mir in folgenden Aufzeichnungen bekannt: HILFERDING Онежскiя былины Bd. I Nr. 18 p. 166 ff: Nr. 41 p. 288 ff. Nr. 60 p. 450 ff. Nr. 66 p. 504 ff. Bd. II Nr. 116 p. 284 ff. Bd. III Nr. 231 p. 241 ff. Nr. 258 p. 330 ff., KIREJEVSKIJ II 93, RYBNIKOV (2. Aufl. von GRUZINSKIJ Moskau 1910) I p. 431 Nr. 81, II p. 410 Nr. 161, p. 597 Nr. 194, р. 683 Nr. 209, MARKOV Бѣломорскія былины 409 Nr. 77. TICHONBAVOV und MILLER Русскія былины старой и новой записи (Moskau 1894) p. 146 ff. Nr. 39 und 40. Der Inhalt ist etwa folgender:

Goldhörnige Auerochsen schwimmen übers blaue Meer und kommen an Kiew vorbeigezogen. Da sehen sie eine Jungfrau mit dem Evangelium in der Hand weinend sitzen. Sie kehren zu ihrer Mutter heim und erzählen davon. Da sagt sie: „ihr Unverständigen. Nicht eine Jungfrau ist das, die ihr weinen saht. Es ist die Gottesmutter (var. die Stadtmauer), die das Unheil über Kiew hereinbrechen sieht. Denn der Zar Batyga bedroht die Stadt mit seinem Sohne Batyga Batygovič, seinem Eidam Torokančik Korablikov und einem Pfaffen, der für sie die Pläne ausheсkt (дьячок выдумшик)." Jeder von ihnen führt ein Heer von 40000 Mann. Der Fürst Vladimir ist verzweifelt. In Kiew ist keiner von den russischen Helden anwesend. Nur ein Trunkenbold Vasilij Pjanica, eine голь кабадкая, befindet sich dort. Wie die Lage hoffnungslos erscheint, nimmt er seine Waffen (Pfeil und Bogen, var. Säbel) und tötet den Sohn des Batyga, den Eidam Torokančik und den Pfaffen. Batyga ver

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langt seine Auslieferung von Vladimir. Vladimir läßt den Helden suchen und findet ihn schließlich bezecht in der Schenke. Er veranlaßt ihn zu Batyga zu gehen und sich zu verantworten. Vasilij geht nun zu Batyga und heuchelt Reue. Mute habe er dessen Führer umgebracht. Nun wolle er Kiew Im trunkenen erobern, wenn ihm die heidnischen Heere zur Verfügung gestellt würden. Batyga schenkt seinen Worten Glauben. Der Reihe nach erhält Vasilij die Führung der heidnischen Heere, die er auf Irrwege führt und vernichtet. Wie Batyga den Untergang seiner Armeen sieht, flieht er davon mit den Worten: „,,Gott bewahre mich davor nach dem heiligen Rußland zu gehen. Wunderbar sind die Kreuze Jerusalems, ruhmreich die Helden von Kiew!"

Dieses ist in groben Zügen der Inhalt der Sage. In Einzelheiten, auch im Schluß, weichen die verschiedenen Aufzeichnungen vielfach von einander ab. So wird der Sohn des Batyga mehrmals weggelassen, z. B. RYBNIKOV I 431 Nr. 81. In denjenigen Fassungen des Liedes, wo der Batyga-Sohn nicht vorkommt, tötet Vasilij den Batyga, den Torokančik und den Pfaffen, dann kehrt er heim zu Vladimir, in seine Gemächer aus weißem Stein. Sie setzen sich zum Festmahl. Hier geschieht dem Vasilij alle Ehre und Ruhm. Damit schließt das Lied; so bei RYBNIKOV I 431 Nr. 81, ähnlich bei TICHONRAVOV-MILLER былины старой записи 148 ff. Nr. 40.

Zum Inhalt vergleiche man außerdem noch WOLLNER Untersuchungen über die Volksepik der Großrussen (Leipzig 1879) 139ff. und namentlich SPERANSKIJ Русская устная словесность Moskau 1917, 268 ff.

Der russische Held heißt oft Vasilij Pjanica. Das ist der verbreitetste Name und als Trunkenbold wird er in allen Fassungen unseres Liedes bezeichnet. Daneben führt er aber auch den Namen Vasilij Ignatjevič (so RYBNIKOV II 410 Nr. 161, II 597 Nr. 194. II 683 Nr. 209 und in allen Aufzeichnungen HILFERDING'S s. oben S. 165) und heißt auch in Verwechlung mit einem andern Bylinenhelden Vasilij Kaznerovič (= Vasilij Kazimerovič vgl. KIREJEVSKIJ II 93).

SPERANSKIJ Vстпая Словесность 268 ff. will diesen Vasilij mit dem populären Fürsten Vasilij Konstantinovič in Verbindung

bringen, der, in der Schlacht am Lit -Fluß gefangen genommen, in Bātūs Gefangenschaft umkam. Der Typus des Trunkenboldes ist nach ihm erst in Gaukler-(cкомороxи-)Kreisen hinzugedichtet worden.

Batyga ist natürlich der gefürchtete Bātū (1227-1255), der Zerstörer Kiews, Polens, Ungarns, Dalmatiens, Enkel des Čingizchān und Begründer der Goldenen Horde. Vgl. über ihn BARTHOLD, Encyklopädie des Islam I 709 ff. Wenn er in einer Fassung des Liedes bei TICHONRAVOV-MILLER Былины старой и новой записи 149 Nr. 40 Bogatuško - Bogatovič heißt, so ist das eine Volksetymologie, die sich darin besonders deutlich zeigt, daß in derselben Fassung weiterhin noch der Name Bať guško Batygovič erscheint. Ebenso ist in der gleichen Sammlung S. 146 Nr. 39 der Titel Пlодольскiй парь sekundär, denn weiterhin heißt er im selben Liede бусурманскій царь, sein Land земля бусурманская. Auch der Name KudrevankoCar ist spät.

Der Sohn des Batyga heißt überall, wo er im Liede genannt wird, Batyga Batygovič. Nun heißt aber der historische älteste Sohn des Bātu (Batyga), dem der Schutz der Westgrenze seines Reiches am Don anvertraut war, — Sartāk vgl. BARTHOLD Encykl. d. Islam I 711, HAMMER-Purgstall, Gesch. d. goldnen Horde (Pest 1840) 136 ff. 142 ff. Ich halte es nicht für einen Zufall, daß in der Sage vom Kalin-Car', wo Vasilij Pjanica nur eine Nebenrolle spielt, dieser Held einen Eidam des Kalin-Car namens Sartak umbringt, vgl. KIREJEVSKIJ I 72. Die näheren Umstände erinnern an den Tod des Batyga-Sohnes in der hier behandelten Sage.

Ich glaube daher, wir haben in diesem Sartak den ursprünglichen Sohn des Batyga auch in den Bylinen zu sehen. Der Name Batyga Batygovič ist sekundär, nach dem Vatersnamen gebildet. Es ist sehr begreiflich, daß Sartak, der älteste Sohn des Bātū, in der russischen Volksepik erwähnt wird. Wissen wir doch, daß er seit 1249, noch zu Lebzeiten des Bātu († 1255) die Huldigung russischer Fürsten empfing und daß ihm der Schutz der Westgrenze von Bātū's Reich am Don übertragen wurde, S. BARTHOLD Encykl. d. Islam I 709 ff. und oben.

Der Eidam des Batyga kann im Liede ursprünglich nicht Sartak geheißen haben: Der Name Torokančik Korablikov ist zu häufig für ihn bezeugt, als daß man einen andern Namen in der ältesten Fassung annehmen könnte.

Tarakančik Korablikov als Eidam ist belegt durch RYBNIKOV I 431 Nr. 81, II 410 Nr. 161, II 683 Nr. 209. Torokančik Korablikov heißt er bei HILFERDING I 166 ff. Nr. 18, I 288 ff. Nr. 41, I 450 ff. Nr. 60, I 504 ff. Nr. 66, II 284 Nr. 116.

Nur umgestaltet ist dieser Name in der Form Torokán Karánnikov bei HILFERDING III 330 Nr. 258, RYBNIKOV II 598 Nr. 194, endlich auch in Tarakańskij Korablikov bei TICHONRAVOV und MILLER p. 148 ff. Nr. 40.

Stärker ist die Umgestaltung bereits in Torokaška Skurlatjevič bei HILFERDING III p. 241 Nr. 231. Diesen Vatersnamen hat der Tatarenführer ohne Zweifel dem in den russischen Sagen verbreiteten Maluta Skurlatov zu verdanken. So lautet der vulgäre Name (s. die verschiedenen Formen etwa bei HILFERDING Index s. v. Maлoma) des gefürchteten Chefs der Opričnina, der Leibwache Ivans IV, Mal'uta Skuratov1), dem das Volk wegen seines rücksichtslosen Vorgehens alle möglichen Schandtaten zuzuschreiben bereit war und der daher in der Sage auch mit einem heidnischen Zerstörer russischer Städte in Verbindung gebracht werden konnte. Vereinzelt steht der Name des Eidams als Kyršyk da, in der Aufzeichnung von Markоν Áломорск. былины 409 Nr. 77. Vereinzelt ist auch der Name Lukop'ór (Лykonëp) bei KIREJEVSKIJ II 93. Er stammt hier aus der Bovosage s. MILLER Очерки I 309.

Jedenfalls ist der Name Torokan bzw. Torokančik Korablikov für den Eidam des Batyga der verbreitetste und man müßte besondere Gründe finden, um ihn für jung halten zu können. Sieht man sich diesen Namen vom etymologischen Standpunkt an, dann führen die Versuche, ihn mit Hilfe des Russischen zu deuten, zu keinem befriedigenden Ergebnis. Man wird kaum Lust haben ihn durch russ. maparán „Schabe, blatta orientalis“ und корáбл „Schiff“ zu erklären. Da es ein Heerführer und

1) Vgl. etwa KĽUČEVSKIJ Русская псторiя II 224 ff.

Verwandter des Batyga ist, so ist man berechtigt, seine Erklärung im Turkotatarischen zu suchen.

Ich nehme an, daß Torokan auf turkotat. tarkan „eine Würde" (s. RADLOFF Wb. III 851 ff.) osm. dsch. tarzan „,Tarchan, privilegierter Stand, auch Bestandteil eines Eigennamens" (s. RADLOFF Wb. III 854) zurückgeht. Der Titel ist heutzutage auch bei Kazantataren und Čuwassen gebräuchlich und bedeutet nach VASILJEVSKIJ TËуды III (1915) S. CCLXVII ursprünglich „einen Heerführer, Herzog, dann überhaupt einen freien Mann oder Edelmann" Wir wissen, daß dieser Titel bei Bulgaren und Avaren gebräuchlich war (vgl. die Belege bei VASILJEVSKIJ Труды III 1. c.). Auch die Heerführer der chazarischen Chakane führten den Titel Tarzan (s. a. O.). Die große Verbreitung dieses Titels ist auch aus Ortsnamen zu ersehen. Er erscheint im tatarischen Namen Hadžitaryan für Astrachan, älter russ. Astorochant (s. z. B. Belege bei NAPIERSKY, Russisch-livländische Urkunden).

Auch den Namen der Stadt Tmutorokant, den VASILJEVSKIJ Труды II 2, 378 ff. sehr unklar behandelt, glaube ich lautlich einwandfrei als *tomotorkant von einem turkotatar. Titel tamantarkan (s. RADLOFF Wb. III 851 ff.) erklärt zu haben. Die Lautform entstammt wohl einem dem Cuvassischen verwandten Dialekt. Vgl. meinen Aufsatz Acta Univers. Dorpatensis Serie B Bd. I Nr. 3 S. 13 ff. Der Hauptgrund, warum ich diese Deutung für einwandfrei halte, ist für mich der, daß Tmutorokan, dann auch etymologisch mit der Stadt Tamanь, die heute an seiner Stelle liegt, identifiziert werden kann.

Wenn MARQUART Volkstum der Komanen (Abhandl. d. kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen N. F. Bd. XIII 1914 Nr. 1) S. 178 den Namen von Tmutorokanь aus einem turkotatar. tamyantaryan erklärt, so ist diese Deutung m. E. lautlich schwierig. Aus turkotatar. tamya stammt russ. mana (davon heute russ. maможня) und daher erwartet man aus tamyantarzan usw. ein russ. *Tugutorokan, oder *Tamgant, jedenfalls aber kein Tmutorokans, Taтапь.

In Anbetracht einer so weiten Verbreitung des Titels tarkan erscheint mir die Erklärung des Torokančik daraus sehr plausibel.

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