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Dagegen kann die Form bosòje (čak. bosô, russ. bosóje) nicht lautgesetzlich sein. Geht man von der jetzigen unbestimmten Form (čak. boso, russ. bóso) aus, so muß die bestimmte urslavische Form bòsoje sein, woraus čak. bòsō, russ. bósoje. Geht man von der ursprünglich endbetonten Form *bosò (vgl. lit. basàs-is, schwed. bar) aus, so muß man als bestimmte Form urslav. *bosòje > bòsoje erwarten, woraus dann wieder čak. bòsō, russ. bósoje. Die lautgesetzliche Form ist also (welchen Ausgangspunkt man auch wählt) unter allen Umständen urslavisch bòsoje. Es ist eben diese Form, die dem russ. dial. bósoje, dem kleinruss. bóse, dem čak.-štok. bòsō zu Grunde liegt. Wie die Form russ. bosóje u. dgl. zu erklären ist, habe ich oben gezeigt.

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In dieser Weise erhalten wir eine viel einheitlichere Erklärung der Formen. Alle bestimmten Formen akzentuieren lautgesetzlich die Antepänultima, vgl. russ. sívoje, stároje, bogátoje, bósoje (dial.), vesëloje, okrúgloje, běloje, góloje, dalëkoje. In einigen von ihnen (běloje, góloje, dalëkoje und vielleicht bósoje) ist diese Akzentuierung durch Zurückziehung des Akzentes entstanden. Alle Akzentuierungen auf der Pänultima (wie russ. bosóje, živóje, molodoje u. dgl.) stammen aus der Femininform (vgl. unbestimmt bosá, živá, molodá).

Zuletzt nur in aller Kürze einige Bemerkungen zur Frage der Metatonie. Es wäre ja denkbar, daß alle proparoxytonen Akzente der bestimmten Adjektivformen durch gemeinslavische Metatonie in der drittletzten Silbe entstanden seien, d. h.

sîvoje sivoje

stároje > stāroje

bòsoje > bòsoje

gòloje > gòloje usw.

Da aber die akzentuierten Längen in ursprünglicher Antepänultima gekürzt wurden (z. B. serb. jagoda, čech. jahoda u. dgl.), so müßte man folgende Chronologie voraussetzen:

I. Kürzung der betonten Längen in Antepänultima: jagoda etc. II. Entstehung der bestimmten Adjektivformen: *sîvoje etc. III. Metatonie der Antepänultima: *sîvoje > *sivoje etc.

Die gemeinslavische Sprache sollte also, wie BELIĆ annimmt, 6 verschiedene Akzentformen (3 primäre und 3 sekundäre) haben, davon 2 kurzvokalische und 4 langvokalische. Unmög

lich wäre das ja nicht. Da aber keine der Tochtersprachen mehr als 2 verschiedene Langakzente hat, so könnte es scheinen, als ob das Gemeinslavische allzu reichlich ausgestattet sei. Daher, meine ich, muß die weitere Forschung darauf eingestellt werden, die Zahl der gemeinslavischen Akzent formen wenn möglich etwas zu reduzieren 1). Ich wage hier kein bestimmtes Urteil auszusprechen. Aber ich möchte doch an die Gelehrten, die mit der čakavischen Dialektologie besser vertraut sind als ich, die Frage richten: Ist es wirklich nicht möglich, die čakavischen Akzente (speziell den čakavischen Akzent', der die größten Schwierigkeiten zu bereiten scheint) aus einzeldialektischen Vorgängen (z. B. infolge der Kontraktion der folgenden Silbe, *sîvoje, > sívō, od. dgl.) zu erklären?

II. Wann sind die bestimmten Adjektivformen entstanden?

Auf diese Frage antwortet BELIĆ und (so viel ich weiß) auch alle anderen Slavisten: Gegen Ende der gemeinslavischen Zeit. Dies wird etwa in folgender Weise begründet. Die Form des Nom. Sg. Mask. ist boso-jo. Da aber boss im Inlaut nicht aus *bosos erklärt werden kann (u. a. weil -s- in dieser Stellung nicht schwindet), so muß sich *bosos zuerst im Urslavischen zu bosr entwickelt haben, ehe die syntaktische Verbindung *bosos + jis zu einem Worte (durch den Wandel des *jis zur Enklitika) geworden ist. Erst nachdem *bosos zu boss und *jis zu jo verändert waren, ist aus boss + jo ein Wort (bossjb) geworden. Also ist boso-jb, bosa-ja, boso-je etc. erst auf slavischem Boden (und zwar spät) entstanden. Die Verschmelzung des Adjektivs

1) VAN WIJK begnügt sich nicht mit 3 sekundären gemein slavischen Akzentformen. Mojem zdaniem", sagt er Roczn. slaw. VIII 186, język prasłow. miał więcej intonacyj sekundarnych niż trzy". Und in der Fußn. zitiert er eine russische Dialektform, die noch einen vierten gemeinslavischen sekundären Akzent bezeugen soll. Wenn VAN WIJK in der Weise seine Forschung fortsetzt, so wird bald die Zahl der gemeinslavischen Akzentformen unbegrenzt werden. Denn noch sind viele Dialekte gar nicht oder ungenügend erforscht, und wahrscheinlich finden sich in ihnen viele Formen, deren historische Erklärung der Forschung Schwierigkeiten bereiten wird.

[Korrekturzusatz: Ungefähr in derselben Richtung äußert sich VONDRÁK in Další příspěvky k nauce o praslovanském přízvuku, S. 42, Fußn.]

mit dem Pronomen zu einem Worte kann also nicht slavobaltisch sein1).

Es scheint mir jedoch, als wäre dieser Faden zu rasch abgeschnitten. Ich gebe natürlich die Richtigkeit des gezogenen Schlusses zu, wenn wir boso-jo als eine lautgesetzliche Bildung erklären wollen. Das ist aber doch nicht notwendig. Es wäre ja denkbar, daß boso-jo eine gemeinslavische Neuerung wäre, die eine ältere Bildung ersetzt haben könnte. Und diese ältere Bildung müßte in der ältesten slavischen Zeit *bosos-jis gelautet haben.

Aus *bosos-jis würde nach slavischen Lautgesetzen *bosošt entstehen, aus *bosos aber boss. Wir würden dann im Urslavischen folgende Formen gehabt haben: Unbestimmt: boss, bosa, boso etc. Bestimmt: bosoš, bosaja, bosoje etc.

Die meisten Formen der bestimmten Deklination waren den Sprechenden (ebenso wie jetzt noch im Litauischen) der Bildung nach völlig klar, d. h. sie enthielten die unbestimmte Adjektivform + die entsprechende Pronominalform. Der Nom. Sg. Mask. war anscheinend anders gebildet. Diese Form fiel offenbar ganz aus dem Rahmen des Bildungsprinzips der bestimmten Formen. Was war dann natürlicher, als daß man nach den Mustern der übrigen Formen eine Form bosʊjь mit ähnlicher Bildung schuf. Wenn bosaj so erklärt wird, steht nichts im Wege, die Entstehung der bestimmten Adjektivdeklination in die slavobaltische Zeit zu verlegen 2).

Diese Argumentierung würde jedoch vollständig in der Luft schweben, wenn man nicht slavische Formen nachweisen könnte, die als Reste des vorausgesetzten urslavischen Bildungstypus *bosošo angesehen werden dürften. Nun gibt es wirklich einige Formen, die so gedeutet werden können. Ich denke an die wenigen Substantiva, die mittels eines š-Suffixes (Nom. -oš) von Adjek

1) BELIĆ, Južnoslov. Fil. I 39 f., Akc. stud. I 1ff. BELIĆ gibt natürlich zu, daß die syntaktische Verbindung der beiden Elemente (slav. *bosos + *jis, lit. *basàs + jìs) schon slavobaltisch vorlag, wo aber das Adjektiv und das Pronomen noch als selbständige Wörter mit ihren eigenen Akzenten ge. sprochen wurden.

2) Dies natürlich unter der Voraussetzuug, daß die eventuell anzunehmende gemeinslavische Metatonie uns nicht nötigt, die oben (S. 275) dargestellte Chronologie anzusetzen.

tiven abgeleitet sind, vgl. MIKLOSICH, Vergl. Gramm. II 339 f., VONDRÁK, Vergl. slav. Gramm.2 I 637. In der Nominativendung -oš dieser Substantiva sehe ich die erstarrte Adjektivendung des Nom. Sg. Mask. -ošt (aus -os-jb). Nachdem die Form mit der Zeit isoliert wurde (da sie in der Adjektivdeklination, wie oben gezeigt wurde, durch eine Neubildung ersetzt worden war), faßte man die aus besonderen Gründen noch in einigen Überresten existierenden Formen auf -ošt als Substantiva auf, und fing sie als solche zu deklinieren an (Gen. -oša usw.). Solche Formen sind:

Poln. gniadosz, čech. hnědoš „der Braune, das braune Pferd" zum Adj. p. gniady, č. hnědý „braun (von Pferden)". So kann auch im Litauischen die bestimmte Adjektivform bèràs-is allein gebraucht werden, um ein braunes Pferd zu bezeichnen, z. B. užšóko ant běrojo ir išjojo nakties „er schwang sich auf den Braunen und ritt in die Nacht hinaus" (VIENUOLIS Raštai I 140). Vgl. schwed. brunte als Name eines braunen Pferdes (schwed. brun „braun“), schwed. svárten als Name eines schwarzen Pferdes vom Adj. svart schwarz" mit dem bestimmten substantivischen Endartikel-en den svarte „der Schwarze". Die Form svárten wegen des schwedischen Akz. I aus svart + en entstanden (nicht aus svarten, in welchem Fall wir Akz. II erwarten sollten). Poln. krzywosz,,krummes Blasehorn, Jagdhorn", auch,,krumme Fichte, Föhre, Kiefer" nach KARLOWICZ, Słownik gwar polskich II 498: „Przy klasztorze jest lasek „krzywoszów" (sosen), o których legienda miejscowa twierdzi, że sie popaczyły, klękając w czasie zjawienia się ś. Antoniego"; čech. křivoš „Krummbückel" (Mensch); niedersorb. ksiwoš „krummer Körper, krummes Ackerbeet" zum Adj. p. krzywy, č. křivý, ns. ksiwy „krumm“.

ist

=

Poln. długosz „scherzhafter Name überaus hochgewachsener Männer“, auch als Bezeichnung gewisser Pflanzen; čech. dlouhoš „ein langer Mensch“ zum Adj. p. długi, č. dlouhý „lang“.

99

Poln. bialosz „weißer Stein", čech. běloš ds., auch weißer Mensch, weißer Kuchen“ (vgl. bělouš „Schimmel" als Pferdename, Weißling, weißer Fisch“), serb. Bjèloš (Gen. Bjelòša) „Name eines Berges" zum Adj. p. biały, č. bílý, serb. bìo „weiß“.

Čech. hrdoš „ein Stolzer" zum Adj. hrdý „stolz“. Daraus entlehnt poln. hardy, hardosz mit denselben Bedeutungen.

Serb. bògatoš „der Reiche" zum Adj. bògat „reich“.

Serb. jùnoš „Jüngling“, vgl. russ. júnyj „jung“.

Serb. Maloš „Name einer Festung, einer Stadt“ zum Adj. mālī „klein“.

Serb. Tvrdoš „Name eines Klosters" zum Adj. tvrd „fest". Serb. Dragoš Männername zum Adj. drag „teuer, lieb". Vgl. den Frauennamen Drâgā, Drága (vgl. Rječn. hrv. ili srp. jez. II 744). Serb. Miloš Männername zum Adj. mìo „lieb“. Vgl. dazu den Frauennamen Mila.

Russ. svjátoš „der Heilige, Mönch, Einsiedler" zum Adj. svjatój „heilig".

Ich betrachte diese Erklärung der angeführten Substantiva auf -oš nur als einen Vorschlag. Es ist aber ein Vorschlag, der verdient erwogen zu werden.

Upsala

T. TORBIÖRNSSON

Zur Entwicklung der partizipialen Nominativendung -onts in den slavischen Sprachen

Vor kurzem habe ich in einem Aufsatze: Remarques sur le groupement des langues slaves, Revue des études slaves IV 5 ff. nachzuweisen versucht, daß in derjenigen Periode, als die urslavische Sprache sich in Dialekte oder Dialektgruppen zu spalten anfing, die nördliche Gruppe, aus welcher das Westslavische und das Ostslavische hervorgegangen sind, den anderen Teilen des Sprachgebietes gegenüber eine engere Einheit bildete. Den Beweis dafür erblickte ich in zwei Lauterscheinungen: 1. anlaut. südslav. ra-, la- (alz-): wslav. ostslav. ra-, ro-; la-, lo-, 2. südslav. ę wslav. ostslav. -ě; ich wies dabei auf Bemerkungen von VASMER R. Sl. VI 186 f., 211 und Buzuk Izvěstija XXIII 2, 162 Fußn. 2 hin. Jetzt möchte ich diesen zwei sprachlichen Erscheinungen noch eine dritte an die Seite stellen und zwar die Endung des Nom. Sing. Part. Präs. Akt. auf südslav. -y, westund ostslav. -a: abg. nesy: ačech. bera, apoln. rzeka, aruss. moga. Eine andere Auffassung vertritt EKBLOм, welcher in seinem Aufsatz: Eine gemeinslavische Umwandlung des Partizipium

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