Slike strani
PDF
ePub

1

Bedeutung für die Entwicklung des Elbslaventums gewesen sind, als etwa die kurze Episode der polnischen Herrschaft in den Lausitzen, die NIEDERLE ziemlich ausführlich darstellt1). So fehlte ihm jede Grundlage, um die kirchliche Entwicklung, die vielleicht nicht weniger Bedeutung gehabt hat als die politische Organisation, auf der sie aufbaute2), zu erfassen: was NIEDERLE darüber ausführt, ist teils schief, teils geradezu falsch3). Hier fehlt es völlig an der Differenzierung nach den Siedlungsgebieten der einzelnen Stämme, die an der unrechten Stelle versucht war: die Bistumsgründungen in Havelberg und Brandenburg (948) 4) bedeuten die Schaffung der hierarchischen Organisation für das wie die Urkunden einstimmig berichten, dank der persönlichen Initiative Ottos I. neu dem Christentum gewonnene, politisch aber dem Reiche nicht eingegliederte, Ljutizenvolk: die 968 gestifteten Bistümer dagegen (Magdeburg, Merseburg, Zeitz und Meißen) hatten die Aufgabe, unter den noch heidnischen Sorben zu missionieren 5); die Voraussetzung für diese Missionsarbeit war eben durch die Einbeziehung des Sorbenlandes in die Marken

[ocr errors]

1) S. 159.

[ocr errors]

2) Vgl. z. B. was NOVOTNÝ, České dějiny I 1, v Praze 1912, S. 590 f. über die Bedeutung der Tatsache ausführt, daß das unter Otto I. begründete Prager Bistum in den Mainzer Metropolitanverband eintrat und nicht, wie die übrigen jungen Slavenbistümer, Magdeburg unterstellt wurde. Der čechische Historiker sieht in ihr einen der wichtigsten Gründe dafür, daß Böhmen nicht politisch und kulturell das Schicksal des Sorbenlandes teilte.

3) S. 158 mit Anm. 4: das Magdeburger Moritzkloster hat zunächst mit der Mission nichts zu tun. Die Gleichzeitigkeit der Gründung von Brandenburg und Havelberg (948) ist längst durch CURSCHMANN Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XXVIII 1903, S. 303 ff., erwiesen; als völlig falsch und verhängnisvoll für den Verfasser erweist sich aber die Behauptung, der Wendensturm von 983 habe alle Schöpfungen Ottos I. hinweggefegt, vgl. den Text! Daß jemand Einzelheiten aus der Geschichte der Organisation der deutschen Kirche erörtert, ohne HAUCK's Kirchengeschichte Deutschlands zu kennen und zu nennen, ist ebenso unbegreiflich, wie wenn man slavische Altertümer behandeln wollte, ohne NIEDERLE'S Monumentalwerk zu Rate zu ziehen!

4) Vgl. vorige Anm.

5) Vgl. die Nachweise für diese Auffassung bei H. F. SCHMID, Das Recht der Gründung und Ausstattung von Kirchen im kolonialen Teile der Magdeburger Kirchenprovinz während des Mittelalters, Zeitschr. d. Savigny-Stiftung

verfassung gegeben. In diesen Unterschieden wurzelt die völlig verschiedenartige Entwicklung, die diese beiden slavischen Stammesgebiete genommen haben: dort nach 983 gänzliche Loslösung von Christentum und Reich, bald völlige Isolierung der heidnisch bleibenden Ljutizen, Wendenkreuzzug und schließlich gänzliche Beiseitedrängung des Slaventums, hier zunächst ein bodenständiges slavisches Christentum, dann ein friedliches Nebeneinander von slavischer und deutscher Kultur und als Abschluß teils das Aufgehen das zur Minderheit gewordenen slavischen Elementes in der deutschen Überzahl, teils die Erhaltung der Lausitzer Wenden. Dieser Gedankengang1) greift unserer Aufgabe, NIEDERLE'S Darstellung zu folgen, vor: in dem in Frage stehenden Abschnitt erwarten wir vergeblich, die Grundlagen dieser Entwicklung angedeutet zu finden. Für die Zeit nach 983 beschränkt sich NIEDERLE im wesentlichen auf die ereignisreichere Geschichte der Abotriten 2), auch hier leider ohne die neuesten Forschungen zu diesem Gegenstand zu kennen3). Diese Beschränkung geht soweit, daß er die Geschichte der friedlichen Erwerbungen Albrechts des Bären in Havelland und Zauche) vergißt vielleicht um nicht die einheitliche kriegerische Färbung dieses Abschnittes zu stören.

[ocr errors]

f. Rechtsgesch. XLIV, kanonist. Abt. XIII 1924, S. 5 ff. Von früheren vgl. etwa CH. G. LORENZ, Die Stadt Grimma, Leipzig 1856-1870 ein Werk von weit über das Lokalgeschichtliche hinausgehender Bedeutung, S. 1231 ff. 1) Die völlig verschiedene Struktur der beiden Kolonisationsgebiete des Sorben- und des Ljutizenlandes - ist oft dargelegt worden: vgl. etwa E. O. SCHULZE Kolonisierung, a. a. O., S. 133 oder die treffende Charakteristik der Verhältnisse beider Länder im 12. Jahrh. von W. HOPPE, Markgraf Konrad von Meißen, Neues Archiv f. d. sächs. Gesch. XL 1919, S. 36.

2) S. 160-162.

3) Schon BRÜCKNER hat auf B. SCHMEIDLER, Hamburg Bremen und Nordost-Europa vom 9.-11. Jabrh., Leipzig 1918, S. 288-358, hingewiesen. Dazu vielleicht noch BIEREYE, Untersuchungen zur Geschichte der nordelbischen Lande in der ersten Hälfte des 11. Jahrh., Zeitschr. d. Gesellsch. f. SchleswigHolsteinische Gesch. XLVII 1917, S. 395-459.

4) Vgl. etwa B. GUTTMANN, Die Germanisierung der Slawen in der Mark, Forschungen zur Brandenburg. und Preuß. Gesch. IX 1897, S. 67 f. 423f., V. SOMMERFELD a. unten S. 414 Anm. 3 a. O., S. 6f., H. KRABBO, Albrecht der Bär, das. XIX 1906, S. 377, 382 ff.

Das sind die Grundlagen, auf denen NIEDERLE seine Geschichte der Germanisation aufbaut: diese selbst zerfällt in einen allgemein gehaltenen und in einen territorial differenzierten Teil; jener1) bringt zunächst eine Übersicht der Faktoren, die eine Benachteiligung des Slaventums im Wettkampfe mit dem Deutschtum bedeuteten 2): die mangelnde Verteidigungsfähigkeit des Landes, die innere Uneinigkeit, die kulturelle Inferiorität und das Festhalten am Heidentum. Das letzte Kennzeichen bezieht sich nur auf die Ljutizen: also auch hier eine falsche Verallgemeinerung. Den gleichen Fehler macht NIEDERLE, wenn er das Bild, das er mit Helmold's Worten von der vernichtenden Wirkung der Slavenkämpfe des 12. Jahrh. entwirft, an dieser Stelle einfügt3): für das Schicksal der Sorben bringt es gar nichts, für das der Pommern kaum etwas Verwertbares. NIEDERLE kannte ОHNESORGES Zweifel an der Glaubwürdigkeit der HELMOLD'Schen Berichte1), Zweifel die gewissermaßen das Komplement zu seinen Ausführungen über die Lebensdauer des Slaventums bilden: diese hat NIEDERLE überall herangezogen, auf HELMOLD'S Vernichtungsbilder aber mag er nicht verzichten; eine Unfolgerichtigkeit, die sich im folgenden Abschnitt 5) bemerkbar macht, in dem NIEDERLE nun erst wieder mühsam die Weiterexistenz des Slaventums nach der deutschen Landnahme erhärten muß. „Darauf vollendete die Germanisation, was das Schwert nicht vollbracht hatte"). Zwei Elemente unterscheidet NIEDERLE in der Germanisation: die freiwillige Entnationalisierung der Slaven zugunsten des kulturell höher stehenden, herrschenden Deutschtums und die deutsche Kolonisationsbewegung. Von dieser Kolonisation hat NIEDERLE eine sehr eigenartige Vorstellung: sie konnte, meint er, nicht einsetzen, „ehe der Widerstand der Slaven auf allen Seiten gebrochen war und nicht eine Reihe von Bistümern, Dekanaten, Pfarren, Klöstern und Burgen gegründet war, kurz ehe nicht in den slavischen Landen eine entsprechende kirchlich- und militärisch-administrative Organisa

2) S. 162 f.

1) S. 162-169. 3) S. 163 f. 4) Vgl. OHNESORGE's oben S. 399 Auin. 2 genannte Schrift; dazu die Würdigung von JEGOROV's Helmoldkritik im II. Teil dieses Aufsatzes.

[blocks in formation]

tion geschaffen war, die imstande war, die Slaven im Zaum und im Gehorsam zu halten"1). Eine merkwürdige Mischung von Vorstellungen: wenn - von den übrigen Punkten zu schweigen

ein Pfarrnetz im Lande vor der Kolonisation vorhanden war (das war im Sorbenlande tatsächlich der Fall2)), dann mußte es doch wohl für die nach NIEDERLE'S Auffassung immer noch heidnischen, zu dem durch die Vernichtungskriege dezimierten Slaven geschaffen sein; andernfalls konnten die Pfarren doch erst entstehen, nachdem die Kolonisten ins Land gekommen waren (so war der Verlauf der Dinge z. B. in Brandenburg3). Was die Herkunft der Kolonisten und ihre Berufung betrifft, so folgt NIEDERLE wieder den Worten HELMOLD'S 4). Hauptursache für die „Berufung" der Kolonisten durch die Grundherren im Koloniallande ist ihm die wirtschaftliche Minderwertigkeit der slavischen Bevölkerung 5): sie ist teils eine ungewollte, in der geringeren Zivilisationshöhe begründete, teils eine bewußte: die geringere und andersartige, der deutschen gegenüber minderwertige Zehntleistung der Slaven. NIEDERLE kennt diese Erscheinung, die für das gesamte slavisch-deutsche Berührungsgebiet charakteristisch ist): er hat nicht den Versuch gemacht, sie zu erklären; und doch sollte man meinen, daß gerade hier sich der slavischen Altertumskunde Gelegenheit böte, zur Aufhellung des Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse der Kolonisationszeit beizutragen"). Auch eine zweite derartige

1) S. 166.

2) Vgl. SCHMID a. a. O., S. 84-94.

3) Vgl. SCHMID a. a. O., S. 98 f.
4) S. 166 f.

5) S. 167 f.

6) Vgl. SCHMID a. a. O., S. 65 mit Anm. 2 und vorher in: Der Gegenstand des Zehutstreites zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrh. und die Anfänge der decima constituta in ihrer kolonisationsgeschichtlichen Bedeutung, Zeitschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch. XLIII, germanist. Abt., 1923, S. 296 f. Eine reichhaltige Zusammenstellung des einschlägigen Quellenmaterials gibt schon E. O. SCHULZE, Kolonisierung, S. 300 f.

7) NIEDERLE hätte sich innerhalb des čechischer historischen Schrifttums über die einschlägigen Fragen unterrichten können: ausgezeichnet orieutiert F. HRUBÝ in dem der Zehntgeschichte gewidmeten Abschnitte seiner grundlegenden Untersuchung über die älteste kirchl. Organisation Böhmens, Církevní zřízení v Čechách a na Moravě od X. do konce XIII. století a jeho poměr ke statu, Český Časopis Historický XXIII 1917, S. 54-73. — A. aa. Oo.

[ocr errors][ocr errors]

Möglichkeit läßt NIEDERLE unbenutzt: der Kolonisation folgt die wirtschaftliche Zurückdrängung des Slaventums1); es zieht sich in die „Kietze“ zurück, jene eigenartigen Fischersiedlungen des Ljutizenlandes, die ihren slavischen Charakter so lange bewahren konnten; hier hätte die Frage, ob diese Kietze aus der Zeit der slavischen Freiheit herstammen, oder ob sie eben ein Produkt der Einengung des Slaventums sind, zum mindesten der Erwähnung bedurft 2).

Die Hauptschwäche dieses zuletzt besprochenen Abschnittes liegt wieder in seinen falschen und schiefen Verallgemeinerungen3): sie haben auf mangelhaft orientierte Nachschreiber ihre verhängnisvolle Wirkung nicht verfehlt1). Sie nötigen aber auch

habe ich den Versuch gemacht, eine Verbindungslinie zwischen dem charakteristischen Slavenzehnt, der unveränderlichen Abgabe in geschütteten“ Körnern im Gegensatz zu der wirklichen Leistung des zehnten Teiles der Feldfrüchte seitens der Deutschen —, und der landesüblichen Steuer weiter westslavischer Gebiete, so auch des Sorben- und Ljutizenlandes, dem „Schüttekorn" (wozop, osep) zu ziehen. Auf die Verbreitung dieser Naturalabgabe hat schon Brückner, Die slavischen Ansiedlungen in der Altmark (= Preisschr. d. Fürstl. Jabl. Ges. zu Leipzig XXII) 1879, S. 17 hingewiesen; vgl. dazu die wertvolle aber nicht erschöpfende Materialzusammenstellung von PILK a. unten S. 412 Anm. 2 a. O., S. 135 f., auch H. JIREČEK, Prove. Historický slovar slovenského práva, Praha 1904, S. 228 s. v. osep, S. 328 s. v. sep. 1) S. 168 f.

2) Auch die von NIEDERLE (S. 168) zitierte Stelle des kulturkundlichen Teiles seiner Starožitnosti, Život starých Slovanů I 2, v Praze 1913, S. 793 führt nicht weiter. Die Literatur über die Kietze vgl. bei SCHMID Recht der Kirchgründung a. a. O., S. 50, Anm. 6. Wichtig sind namentlich die neuesten Untersuchungen von BOLLE a. oben S. 403 Anm. 3 a. O., XIX, S. 37 ff., und von E. BESTEHORN Archiv f. Fischereigesch. I 1913, S. 104 ff.: sie führen zu dem Ergebnis, daß die Kietze als eigentümliche Wirtschafts- und Siedlungserscheinung der Zeit der slavischen Selbständigkeit entstammen. Oberflächlich R. MIELKE, Die altslawische Siedlung, Zeitschr. f. Ethnologie LV 1923, S. 78f. 3) Vgl. oben S. 405; völlig ungerechtfertigt in ihrer Verallgemeinerung ist auch die Behauptung NIEDERLE's von dem Mangel idealer Gesichtspunkte bei dem deutschen Klerus des 11. und 12. Jahrh., S. 164 f.

4) Die sonst so gut orientierte, über einen Stab ausgezeichneter Mitarbeiter verfügende Europa Orientale (Organ des römischen Istituto per l'Europa Orientale) bringt IV 1924, S. 221-240 einen Aufsatz von WOLFANGO GIUSTI, I resti di un'antica civiltà slava: i Serbi di Lusazia. Seine historischen Ausführungen sind völlig verfehlt, die völlig kritiklose Kompilation

« PrejšnjaNaprej »