= 4. rode wryang H „Freywerber, d. i. ein Heiraths-Rath". Zur Erklärung bemerkt ROST (S. 110 Fußn. 28): „Wryang dürfte nur eine ungenaue Wiedergabe für Wryange Wryana sein (nd. frien), vgl. (ka) bésonge, bésonga u. a. Rodend. raad, mnd. rād“, als Transkription gibt er rod vríjan[a] (S. 416, S. 438 aber vrijóna). Diese Erklärung ist ebenso unrichtig wie die HENNIG'S, wryang ist Akk. Sg. von einem *vrija „Heirat" kasch. vroia und rode 3. Sg. Prs. poln. radzi. Zu schreiben ist ródə vriją „er rät die Hochzeit": der von HENNIG um das Wort „Freiwerber" befragte Mann wußte hierfür keinen polabischen Ausdruck und antwortete mit einem die Tätigkeit des Freiwerbers bezeichnenden Satz, ein Vorkommnis, das mir bei meinen kaschubischen Studien sehr häufig begegnet ist. = 5. rodey H „rathen", rodey H rodéy H(B,) ródey H(B2) „regieren“. ROST möchte hierin (S. 416) eine 3. Sg. Prs. rodäuje sehen, versieht aber die Form mit einem Fragezeichen, wohl deshalb, weil dies die einzige Form eines der ova-Verba sein würde, die dem Polabischen wahrscheinlich unbekannt gewesen sind. Das Fragezeichen ist auch mehr als berechtigt: rodey ist nämlich gar keine Verbalform, sondern identisch mit dem von HENNIG unter dem Stichwort „Räthe (consiliarii)" gegebenen rodáy, d. i. Nom. Plur. rodái (= poln. *radzi). Der befragte Mann hat hier auf HENNIG's Fragen nach „raten, regieren" mit der Bezeichnung der die betreffende Tätigkeit ausübenden Personen geantwortet. 6. nopalni wyoter H nopalnî wiôter H (B2) „Südwind“, nupalói viuder Pf. „le vent du septentrion". Trotz des Widerspruchs in der Bedeutung gehören die beiden Windbezeichnungen zusammen, ROST hält augenscheinlich HENNIG'S Bedeutungsangabe für falsch, denn er schreibt S. 34 Fußn. 7: „HENNIG: nopalnî 1. no pülnî gegen Mittag", während HENNIG selbst das Wort durch ,,Wind vom Mittag" erklärt. Wie Rosт das nupalói auffaßt, ist mir nicht klar, S. 437 schreibt s. v. votr: „nopüöl[ud]nė (adj., cfr. čech. polední) v., Nordwind (HENNIG: Südwind) ... (oder v. no piölnė?)", was sich doch augenscheinlich nur auf das nopalni beziehen kann, während aber beide Stellen angeführt werden. Aber mag das sein, wie es will: die Verbindung mit pölní „Mittag" ist aufzugeben. Zu nupalói viuder gibt PFEFFINGER die Erklärung: ,,Cela veut dire, le Vent qui n'est ny bon, ny mauvais“. Das führt darauf, daß das nupalói identisch ist mit dem poln. napoły, also zu schreiben nopala'i (in der unbetonten Mittelsilbe, wie auch sonst, a aus o, vgl. nomaráy H, d. i. no marái urslav. *na mori), nopalní kann dann nur das davon gebildete Adjektiv sein, bei dem allerdings die Endbetonung auffällig ist, da diese sonst bei den Adjektiven nicht vorkommt. Die Differenz in den Bedeutungen ist vielleicht dadurch zu erklären, daß in der Gegend, aus der PFEFFINGER'S Vokabular stammt, der Nordwind der neutrale Wind war, in der Gegend HENNIG's aber der Südwind, oder in der letzteren war das Wort volksetymologisch mit pölní „Mittag" in Verbindung gebracht. 7. bleisitze H bleysitze H (B) Freundschaft". ROST transkribiert bleizüöst, was durch die Überlieferung nicht gerechtfertigt wird. Es ist augenscheinlich ein Nom. Plur. und mit bláizica (urslav. *bližici) zu transkribieren. Daß HENNIG als Übersetzung,,Freundschaft" gibt, ist ganz richtig: beim niederdeutschen Volk hat dies Wort nicht (oder nur unter hochdeutschem Einfluß) die abstrakte Bedeutung der deutschen Schriftsprache, sondern es ist ein Kollektiv und bezeichnet die Verwandten. So ist es auch hier zu verstehen. 8. bráde H „waden, durchwaden". Die Transkription Rost's brúode trifft sicher nicht das Richtige, denn einem poln. brodzi könnte nur *brüdə entsprechen, das auf keinen Fall in bráde steckt. Ebensowenig kann es die Stammform bred- von r.-ksl. bredu, čech. bředu enthalten, da dann *bridə zu erwarten wäre. Das a kann nur einem urslav. oder entsprechen, die Stammform brod- liegt auch vor in altčech. břdu, und brad- liegt doch wohl (trotz BERNEKER EW 83) vor im poln. brnąć, kasch. brənó̟c, da das Slovinzische die Ablautsform brud- in brësc, Prt. brud, besitzt. Das polabische Wort ist mit bradə (aus *brodet) oder brádə (aus *brideto) wiederzugeben. 1 9. czôrneicia H czorneicia H (B B1 B, C) „,Schmier-Büchse“, tzorneicia H czorneicia H (B B1 B2) „Teer-Eimer". ROST transkribiert carnéića (richtiger wäre cornéića: das a ist ganz unberechtigt) und verbindet das Wort mit córne „schwarz". Während HENNIG hier aber immer tz schreibt: tzôrne tzôrna tzorna tzörna tzorne, schreibt er dort mit einer Ausnahme nur cz, also das Zeichen, das er nach einer eigenen Angabe für den Laut š gebraucht. Dies Zeichen gebraucht er auch in dem Worte für „Teer, Wagenschmiere": czóro, einmal czôrno, und PARUM SCHULZE schreibt hier sch: schorü, schoräu. Dies Wort liest Rost wohl richtig als soró, und zu ihm steht unser Wort in demselben Verhältnis wie poln. smolnica zu smoła, es ist demnach mit śornáića zu transkribieren. Vielleicht hat es daneben ein volksetymologisches cornáića (tzorneicia H) gegeben, das normale war es aber augenscheinlich nicht. 10. blinskaweicia H blinskaneicia H(BB, C) blinskanéitza H(B1) „das Führen und Schwencken". ROST gibt S. 374 die Transkription blenskanéića. Besser wäre es gewesen, die Variante blinskaweicia als Normalform zu nehmen, wenn auch nur eine Handschrift sie bietet: die Bedeutung des Wortes ist nämlich nicht die abstrakte der Tätigkeit des Schwenkens, sondern die ganz konkrete der Schaukel, wie HENNIG'S Beschreibung zeigt: Wenn mann nemlich zweene Zacken von einem Baume zusammen bindet und sich darein setzt, oder in einer Winde sich führet und schwencket". Es ist also ein Nomen instrumenti und für solche ist wohl das Suffix -avica nachweisbar (z. B. slz. stříkáica „Spritze“ zu stříkac, sikáica „Handspritze“ zu sókac), während mir derartige Bildungen auf -anica unbekannt sind. Deshalb ist mit Sicherheit blinskaváića anzusetzen, blinskanáića muß als fraglich bezeichnet werden. 11. kabésenye (gestr. kabésonge) H (B1) „zulauffen“, kabésonge H kabésonje H(B) ka bésonge H (B2) kabésonga H (C) „zulauffen“. Es scheint noch nicht beachtet zu sein, daß die überlieferten Formen zu zwei verschiedenen Verben gehören. SCHLEICHER (S. 289) denkt an eine Akzentverschiedenheit: während er bëzóni betont, sieht er in kabésenye ein ka bezani, RosT transkribiert alles mit bézonă (S. 374), obgleich HENNIG dadurch, daß er in B1 kabésonge gestrichen hat, deutlich zeigt, daß kabésenye nicht damit identisch ist. Letzteres entspricht einem poln. ku bieżeniu, in besonge kann natürlich nicht ein urslav. *běžanje aus älterem *běžěnьje stecken, denn dies liegt in bésenye vor, ich identifiziere es mit poln. bieganie, das von bieżenie das ž übernommen hat. Solche Ausgleichungen zwischen Primär- und Iterativverb sind im Polabischen ja auch sonst zu beobachten, z. B. rícat nach rict, plitót nach plita. Zu transkribieren ist demnach kà bézeńǝ und kå bézona. Von den übrigen überlieferten Formen gehört zu bieżeć sicher die 3. Sg. Prs. béza: beese S bese H bäse H(B) bése bêse H (B1), aibézə: eybése HH(B2) eybese H (B1), und wahrscheinlich der Inf. bézat: besat S bésat H bêsat H(B1), aibézat : eybesat H eybésat H(B) eybêsat H (B1), während das Part. Prt. aibezóna: eybesóna H, vexbezóna: wechbesóna H auch zu biegać gehören kann. = 12. sleisang Pf. sléisang Ec. „l'oüie“, sleisang Voc. „Gehör“, sleisöt Pf. „oüir" sleisöt Voc. sleisot D., schläusse S. „hören“, schläusses S. „hörest“, slauss sleiss H slaus sleus H(B,) „hören“, sleisis H,,hörst du", slausse H schlausse H (B1) „Gehör“, sleissa H sléissa H (B1) sleisse H (C) „Gehöre“. -Nach SCHLEICHER (S. 289) gehören alle angeführten Formen (nur slausse H schlausse H (B1) wird nicht genannt) zu einem Verbum, das dem poln. słyszeć entspricht. Auch RosT faßt die Formen so auf, jedoch mit Ausnahme der von HENNIG mit „Gehör, Gehöre“ übersetzten, in denen er einen Nom. Plur. urslav. *slusi zu *slucho sieht (so S. 124 Fußn. 19, im Wörterverzeichnis S. 421 setzt er jedoch ein Fragezeichen hinzu). Ich glaube nicht, daß diese Auffassung richtig ist, denn die alte Form des Nom. Plur. kommt sonst bei Abstrakten nicht vor und das bei Pf., Ec., Voc. in gleicher Weise übersetzte Wort ist ohne Zweifel eine Verbalform. Eine solche werden wir auch in den von HENNIG mit „Gehör, Gehöre“ übersetzten zu sehen haben und zwar in slausse, schlausse eine 3. Sg. Prs., in sleissa, sleisse vielleicht eine 1. Sg. Prs. oder eine 3. Sg. Prs. Es ist jedoch unmöglich, daß alle angeführten Formen zu einem dem poln. słyszeć entsprechenden Verbum gehören: das au in HENNIG's slauss, slausse kann nicht aus urslav. y entstanden sein, ihm muß urslav. u zu Grunde liegen, was auch für schläusse, schläusses S möglich ist. Deutlich liegt dieser Stamm sluš- vor in dem Kompositum „zuhören, gehorchen": Inf. peslaussat H pêslaussat H(BB, B, C) peschláussat (gestr.) H(B,) „gehorchen" pöslaussat H „zuhören“ d. i. pösláusat, 3. Sg. Prs. pöslaussa H pöslaússa H(B1) pöslausse H(C) „zuhören“ d. i. pösláusa oder = честь < чьсть BERNEKER Slav. et. Wrb. I 173: dweiapas cziestis dastainy tur buti 1547 Kat. 15, 17; pritaisai czestnį 1701. NT. Luc. 14, 13, woher heute česnis K.; čestavoti Dus., Šak. = чÉCTOBATь, чÓстоBать „mylėti, váišinti, ehren, bewirten" Dal' IV3 1326 = cziastawaki tewa 1547 Kat. 10, 24, dieweris paczestawoje jes PJ 72, 5; 2. klejał клей kljь; 3. levas, niederlit. liáus, Gen. liava лев < львь ВERNEKER Slav. et. Wrb. I 755, PREOBRAŽENSKIJ ƏT. Cл. I 442; lett. lauva ist deutsch: mhd. louwe; 4. karčemà = *корчема mit е aus Gen. Plur. Kopчем; e konnte auch aus dem Worte корчемникъ (< кърчьмьникъ SREZNEVSKIJ Мат. I 1413, aus dem Сборникь vоm Jahre 1073) eingeführt werden; lett. istaba „Haus“ zeigt, daß die Weißrussen das Wort изба einmal auch *истоба aussprachen mit aus dem Gen. Plur. истоб und der Diminutivform истопка Häuschen" stammendem 0; 5. kazelēkas J s. v. glitus, Jd. 1175, 2 und (in den Dialekten, in welchen unbetontes se, ze zu sa, za wird?) kazalēkas J s. v. grybė (kazalieks glitus Kos. L. 213a, bałtliepszis kazaliekas biela, bielka, boletus granulatus 1. c. 39 b) *козелякь, аnstаtt козлякь (= kazlēkas Dus.) mit Einführung von e aus der Form козëл (früher козыль); 6. temnyčià, -ýčios „Gefängnis“ KV. I 496, im Jahre 1579 W. 122, 22 = темнéпа < тьмьнипа : aš jį į gerą temnýčią įdėjau Sch. 236; 7. žemčiūgas „Perle“ жeмчyг< ;кÜMÜчгú (oder жьньчюгъ Изслѣд. по рус. яз. II 2, 106) SREZNEVSKIJ Мат. I 855, PREOBRAŽENSKIJ ƏT. Cл. I 228 (tatarischen Ursprungs) : žemčiūgai „Edelsteine" KV. I 529, żemczuga szwentoia raszta MT. 1; 8. atvernas „превратный, unbeständig, verkehrt“ J отверный < от(ъ)вьрьнъ, vgl. отвьрьнь SREZNEVSKIJ Мат. II779; advernas ist polnischer Herkunft (*odwierny); 9. cerkvė Dus. (Endung nach den Wörtern kálvė, senatvė umgebildet) = перêва zu пьркы, Gеп. пьркыве; 10. černýlas,,Schusterschwärze" R II 319, N 161 = чернило<чьрнило || роlп. czarnidlo; 11. čertas Jd. 409, 4, čiartas KV. II 143 ч0рт < черт < чьрть BERNEKER Slav. et. Wrb. I 172; 12. četvergas Dus. = четверг < четвьргь BERNEKER Slav. et. Wrb. I 153: czetwergas, der Donnerstag KLEIN Comp. 1654, S. 5, čiatvergas KV. I 302, četvergs mėsos diena Sch. 110, četvergo vakaras 1. c. 200; 13. kačérga Dus. кочерга aus кочьрга BUGA POB. LXX 254, BERNEKER Slav. et. Wrb. = Zeitschrift f. slav. Philologie. Bd. I. = 4 = |