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das pommersche c nicht das geringste für einen näheren Zusammenhang zwischen Kaschubisch und Großpolnisch; die Isoglosse beweist, wie immer, nichts. Noch schlimmer sieht es in Schlesien aus: der Norden „masuriert" (zetaciert), der Süden nicht (ja nicht unter böhmischem Einfluß, was keiner Widerlegung bedarf, obwohl Vondrák dies wiederholt) und doch bilden beide Dialekte ein Ganzes. Auf die Ansicht, daß die poln. Schriftsprache in Großpolen entstanden wäre, weil sie nicht masuriere, wie dies in Kleinpolen und Masovien die Regel bildet, gehe ich hier nicht ein, weil ich sie anderswo widerlegt habe.

Die Erklärung des Vorganges bewegt sich in zweierlei Richtungen, die beide absolut ungangbar sind. Einmal greift man zu der Fabel von fremden Einflüssen; eben haben wir des angeblichen böhmischen in Schlesien gedacht, noch schöner ist die Zurückführung des Zetacismus auf mythische Protofinnen an der Weichsel (sie müssen über die Elbe gereicht haben, denn in Lüneburg zetacierten die Slaven ebenfalls), die mit ihrer Unfähigkeit, das è auszusprechen, alle Nordslaven, Letten, Preußen angesteckt hätten: aber wie steht es mit den zetacierenden Südslaven? Der finnische Einfluß gehört mit dem böhmischen und deutschen (auch daran dachte man), ins Märchenreich und nicht besser ist der andere Versuch, der Alter und Ausdehnung des Zetacismus ganz vergißt. Es soll nämlich den Polen die dreifache Affrikatenreihe, č, c, ć, lästig geworden sein (!!) und sie hätten sie vereinfacht zu c, ć oder zu č, c (manche Dialekte kennen keine ć-Laute mehr). Aber der Zetacismus ist ja älter als das Aufkommen der ć-Reihe, das erst dem 11. Jahrh. angehört; daher wird ja das rz aus ŕ gar nicht von ihm ergriffen, dies ist eben jünger, existierte noch gar nicht, als der Zetacismus den ursprünglichen Lautbestand angriff (denn die Annahme von NITSCH, daß Kleinpolen und Masovien vielleicht nie ein š, ž besessen hätten, hat nicht einmal bei VONDRÁK Glauben gefunden). Die Salaben und Novgoroder hatten keine dreifache Affrikatenreihe und zetacieren doch. Weil aber der Zetacismus am meisten das è ergreift (man denke an das südslavische crstatt čr-; auch im Norden bleibt stellenweise ž, š intakt und nur è wird affiziert), so könnte man annehmen, daß der Prozeß

von è seinen Ausgang nahm und langsam auch die š- und ž-Laute ergriff, stellenweise im Polnischen sogar das junge rz. Weiteres Fragen wäre überflüssig. An anderer Stelle habe ich auch die masurierenden Worte der polnischen Schriftsprache aufgezählt.

Einiges wird irrig gedeutet, so altes czu, czuż, toczu(ż), in Drucker des 16. Jahrh. (OPEC, Vita Christi) und von modernen Herausgebern mit cuż oder cóż, als wäre es co wiedergegeben; noch BABIACZYK nennt im Glossar zur Sophienbibel als Lemma tocuz scilicet, statt toczuż. Das Wort wird von GEBAUER, darnach von BERNEKER I 162 (unter čuti, wo übrigens klruss. čujny, čulyj Polonismen sind), erklärt: „aus der 2. P. Sg. Präs. čuješ entstand alt čúš, číš,nämlich', heute noch in totiž dasselbe durch Einwirkung von totiž nunc". Falsch, es ist die Partikel sl. -ču, in nyněču. Czu und toczu(ż) im 14. und 15. Jahrh. verliert sich im 16. rasch; in der Allerseelenpredigt um 1450, ist czu nicht bloße Anhängepartikel, sondern bedeutet,nämlich' z. B. będa was gonić czu grozami, (ziemia) po jejże czu chodzą ani (: = a oni) czu kniemu idą. Das grruss. ču ist dasselbe, kein Aorist von čuti wie behauptet wird. Ob rodzice,Eltern' für *rodzicze (wie im Böhmischen) steht, darf man füglich bezweifeln; vgl. burzyce bei REJ gegen böhm. buřič.

Grundverschieden von diesem Ersatz des č, ž, š, durch c z, s, ist der polnische des č, ž, š, ždž durch ć, ź, ś, źdź, weit verbreitet und oft mißdeutet. Ciemierzyca, helleborus, aus czemierzyca (von čemerь,Gift, nicht umgekehrt, wie BERNEKER meint), verdankt sein é nicht dem ciemię, sondern ist rein lautlich; zielazo, aus 3elazo, ebenso im Russischen aller Dialekte, ist allgemein, seit dem 15. und 16. Jahrh., heute namentlich in Großpolen, auch in Krakauer Drucken wie Marcholt; ciarcia ,Teufel (collect., 17. Jahrh., angeblich masovisch); siast für szast ,flugs! (ebenso); siustać ,tauschen' für szustać; cierzeniec,Fischnetz' aus czerzeniec; ċmiel und śćmiel aus szczmiel, czmiel,Hornis' (W. POTOCKI); ścieżuja für szczeżuja,Schuppe' (BEHME, 1613); ziebro und ziobro aus rzebro, żebro,Rippe'; dialektisch greift dieser Ersatz weiter, siurek für szczurek,Ratte' (17. Jahrh.); zdziarski aus żdżary; besonders gilt dies für š-; jedem eigenen und fremden - steht dialektisch - zur Seite, szla und sla,Siele';

immer Podlasie für Podlasze, das falsch zu las statt zu Lach gestellt wird; es gibt nur siuty (seit dem 16. Jahrh.) für szuty (ko-szuta),Schafe'; ślachta für szlachta,Adel' ist alt häufig, ebenso ślakować für szlakovać,spüren'; jedes deutsche schl-, schr-, wird śl-, śr-, ślusarz,Schlosser“, śruba,Schraube', śrót,Schrot' (aber szrotować noch bei REJ), śluza,Schleuse'. Schließlich schwankt vieles; für ślad, Ślązk, szlad (häufig im 16. und 17. Jahrh.), Szląsk. Vgl. źródło (hente so stets geschrieben), für źródło ,Quelle'; kuciaba für kuczaba u. ä. Ähnlich wechselt im Böhmischen und s.

Der Zetacismus selbst ist nicht auf das Slavische beschränkt; Preußen, Letten zetacieren, im Gegensatz zu Litauern; unter den Turkotataren zetacierten die Polovzer, heute noch die jüdischen Karaiten (in Galizien); in den Intermedien des 17. Jahrh. (darnach auch in den kleinruss. das sog. Dowhaleskij) zetacieren die Juden (nicht etwa die Karaiten), stets sprechen sie cy für czy usw. Berlin

A. BRÜCKNER

Die bestimmten Adjektivformen der slavischen

Sprachen

I. Die Akzentuierung der bestimmten Adjektivformen.

In den baltischen und slavischen Sprachen haben die Adjektiva bekanntlich zwei verschiedene Formen: eine unbestimmte und eine (daraus mittels Suffigierung der entsprechenden Formen des Pronominalstammes jo-, jā- entstandene) bestimmte1). Im Slavischen wurden die unbestimmten Adjektiva substantivisch wie

1) Die unbestimmten Formen wurden ursprünglich in den syntaktischen Verbindungen das Haus ist neu (1) und ein neues Haus (2), die bestimmten Formen in der syntaktischen Verbindung das neue Haus (3) gebraucht. So jetzt noch im Litauischen (1. bùtas naūjas; 2. naūjas bùtas; 3. naujàsis bùtas) und im Serbischen (1. dûm je nòv; 2. nồv đôm; 3. novī dûm). Die meisten slavischen Sprachen haben aber jetzt die unbestimmte Form ganz oder teilweise verloren. So besitzt das Russische von dem unbestimmten Adjektiv nur die prädikativ gebrauchten Nominativformen, z. B. dom nov,das Haus ist neu', während nóvyj dom sowohl ,ein neues Haus' wie das neue Haus' bedeutet.

o-, ā-Stämme dekliniert, vgl. lat. novus, nova, novum. Diese Adjektiva waren ursprünglich entweder barytoniert oder oxytoniert das ganze Paradigma hindurch, vgl. gr. νέος, νέα, νέον und σοφός, 60ń, бopóv. Jene erhielten im Baltischen und Slavischen infolge des FORTUNATOV-DE SAUSSURE'schen Gesetzes Akzentwechsel, z. B. russ. nov, nová, nóvo. Einen ähnlichen Akzentwechsel bekamen im Slavischen analogisch auch einige ursprünglich oxytonierte Adjektiva, z. B. russ. bos, bosá, bóso (aus ursprünglich bosó, bosá, bosó, vgl. lit. basàs-is und schwed. bar, wo das aus z entstandene → ursprüngliche Endbetonung beweist). Andere ursprüngliche Oxytona behielten im Slavischen ihre Endbetonung, z. B. russ. gol, golá, goló.

In den bestimmten Adjektivformen wurden ursprünglich sowohl das Adjektiv selbst wie die Pronominalform dekliniert, und die Akzentuierung war dieselbe wie in den unbestimmten Formen. Im Litauischen ist diese Doppelbiegung bis zum heutigen Tag fast vollständig beibehalten, z. B.

Nom. basà: basó-ji

Gen. basõs: basõs-ios

Dat. bãsai: băsai-jai (bãsajai)

Akk. bāsa: bãsa-ja

Instr. basà: basá-ja usw.1)

Im Slavischen ist die ursprüngliche Bildung der bestimmten Formen schon sehr früh durch lautliche Veränderungen und Ausgleichungen zum Teil verdunkelt worden (vgl. LESKIEN, Gramm. der altbulg. Sprache, S. 142 ff.), und heute bewahren die modernen slavischen Sprachen nur einige Reste dieser Doppelbiegung, z. B. russ. Nom. Sg. Fem. nóva-ja, bosá-ja, Akk. Sg. Fem. nóvu-ju, bosú-ju. Wie schon aus diesen Beispielen hervorgeht, ist die Akzentuierung nunmehr fest geworden. In den bestimmten For

1) In einigen Fällen ist die Übereinstimmung analogisch entstanden, z. B. Gen. Pl. gerữ : gerū-jų. Die bestimmte Form sollte wahrscheinlich geru-ju lauten, denn hier sollte der Akzent von der akzentuell offenen Binnensilbe zurückgezogen werden, vgl. Verf. Die litauischen Akzentverschiebungen und der litauische Verbalakzent (Heidelberg 1924), S. 42f. Über die Verschiedenheit der Akzentuierung im Nom. Sg. Mask. būsas: basàsis daselbst S. 22f, 42 (Ende Fußn. 1 der S. 41).

men kommt kein Akzentwechsel vor. Statt der lautgesetzlich zu erwartenden Formen bósyj, bosája, bósoje heißt es russ. bosój, bosája, bosóje (vgl. čak. bosî, bosâ, bosô; štok. bòsī, bòsā, bòsō) oder russ. dial. bósyj, bósaja, bósoje (vgl. čak. und štok. bòsī, bòsā, bòsō). Diese Akzentuierung stammt aus Mask. und Neutr. (vgl. unbest. russ. bós. bóso), jene aber aus Fem. (vgl. unbest. russ. bosá). Die Akzentuierung der bestimmten Adjektivformen ist also schon aus diesem Grunde in vielen Fällen eine andere als diejenige der unbestimmten Formen. Eine andere Ursache verschiedener Akzentuierung der bestimmten und der unbestimmten Formen ist die unten zu besprechende urslavische Akzentverschiebung, vgl. russ. gólyj, gólaja, góloje (best.): gol, golá, goló (unbest.). Dazu kommen noch gewisse Verschiedenheiten der Akzentqualitäten, die am deutlichsten im Čakavischen zum Vorschein kommen, z. B. sîvo (unbest.): sivō (best.).

Alle diese akzentuellen Verschiedenheiten der bestimmten und der unbestimmten Adjektivformen hat BELIć gründlich untersucht, vgl. Roczn. slav. V 174 ff. (vorl. Mitt.), Južnoslovenski filolog. I 38 ff. (klare und orientierende Darstellung), Akcenatske studie I (ausführliche Behandlung des ganzen Problems, auf ein großes — und teilweise neues - Material gestützt). Außerdem hat er in Mémoires de la Soc. de Ling. XXI 149 ff. eine Zusammenfassung der obigen (serbisch abgefaßten) Abhandlungen geschrieben. Nach BELIĆ ist die völlige Verschmelzung der Adjektivform mit dem Pronomen (bos + jo) zu einem Wort (bosʊjo) erst in später gemeinslavischer Zeit eingetreten1). Erst damals hat die Pronominalform ihren ursprünglichen Akzent verloren und ist enklitisch geworden 2). Die dadurch entstandene quantitative Änderung des Wortformbestandes hat Metatonie hervorgerufen 3). Wie diese Metatonie gewirkt hat, mag folgende Übersicht der urslavischen Akzentuierung der Adjektivformen nach BELIĆ zeigen 4).

1) Vgl. unten S. 276 f.

2) Akc. stud. I 2.

3) Akc. stud. I 163: Jasno je da se akcenat menja u zavisimosti od promene sklopa, sastava reči“.

4) Der Übersichtlichkeit wegen sind die Beispiele in drei Gruppen (I, II, III) geordnet. Die Formen, die nach meiner Meinung zurückgezogenen Akzent haben (vgl. unten), sind unterstrichen.

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